Clovis Dardentor
geerbt
haben!«
Daneben begegnete man Juden in marokkanischer
Tracht, Juden in seidenem goldgesticktem Kaftan, ferner
Mauren, die sorglos auf den sonnenbeschienenen Trottoirs
einherwandelten, und endlich auch Franzosen und Franzö-
sinnen.
Clovis Dardentor erklärte sich natürlich entzückt von al-
lem, was er sah. Vielleicht wurde sein Interesse aber doch
noch lebendiger, als die kleine Gesellschaft zufällig einzelne
industrielle Anlagen wie eine Gerberei, eine Fadennudel-
fabrik, eine Gießerei oder eine Tabakmanufaktur zu Ge-
sicht bekam.
In engeren Grenzen hielt sich seine Bewunderung da-
gegen angesichts der bedeutenderen städtischen Bauwerke,
wie der 1839 umgebauten Kathedrale mit ihren drei Rund-
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bogenschiffen, der Präfektur, der Bank und des Theaters.
Letztere waren übrigens erst neueren Ursprungs.
Erhöhte Aufmerksamkeit schenkten die jungen Leute der
Kirche des heiligen Andreas, einer ehemaligen viereckigen
Moschee, deren Decke auf hufeisenförmigen maurischen
Bögen ruht und die von einem schlanken Minarett überragt
wird. Immerhin erschien ihnen diese Kirche minder merk-
würdig als die des Paschas, deren Vorhalle in Gestalt einer
»Kubba« von Kunstverständigen warm bewundert wird.
Vielleicht hätten sie auch vor der Moschee Sidi-el-Hâuri
mit ihren drei als Arkadengänge ausgebildeten Stockwer-
ken längere Zeit verweilt, wenn Clovis Dardentor nicht zur
Eile gemahnt hätte.
Beim Fortgehen bemerkte Marcel Lornans auf dem Aus-
tritt des Minaretts eine Person, die mit dem Fernrohr den
Horizont absuchte.
»Da . . . da . . . Herr Oriental!« rief er.
»Wie . . . der Sternenjäger . . . der Planetenrezensent!«
platzte der Perpignaneser heraus.
»Er selbst . . . er äugt ins Weite . . .«
»Wenn er hinausäugt, ist er es auch gar nicht!« erklärte
Jean Taconnat. »Von dem Moment an, wo er nicht ißt, ist es
nicht mehr Herr Oriental!«
Dennoch war das der Vorsitzende der Astronomischen
Gesellschaft von Montélimar, der das Strahlengestirn in sei-
nem Tageslauf beobachtete.
Als sie endlich zum Mittagsmahl ins Hotel zurückkehr-
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ten, empfanden die Herren Dardentor, Marcel Lornans und
Jean Taconnat ein ausgesprochenes Bedürfnis nach Ruhe.
Patrice, der von dem ihm durch seinen Herrn gewährten
Urlaub Gebrauch machte, war methodisch durch die Stra-
ßen hingewandert, wo er sich nicht für verpflichtet hielt, al-
les an einem Tag zu sehen und er sein Gedächtnis doch mit
wertvollen Erinnerungen bereicherte.
So erlaubte er sich auch einen leisen Tadel gegen Herrn
Dardentor, der in allem, was er vornahm, nicht die nötige
Mäßigung einhalte und Gefahr laufe, sich über Gebühr zu
ermüden. Er erhielt dafür zur Antwort, daß ein Eingebo-
rener der Ostpyrenäen überhaupt keine Müdigkeit kenne,
und daß er sich ruhig schlafen legen solle.
Das tat denn Patrice auch gegen 8 Uhr, nachdem er das
Hotelpersonal vorher durch seine wohlgesetzten Reden und
seine Manieren höchlichst ergötzt hatte.
In derselben Stunde fanden sich Herr Dardentor und die
beiden Vettern in dem bewußten Haus der Alten Schloß-
straße ein. Die Familien Elissane und Désirandelle verweil-
ten hier im Salon. Von Clovis Dardentor vorgestellt, wur-
den Marcel Lornans und Jean Taconnat sehr liebenswürdig
empfangen.
Die Abendgesellschaft verlief wie alle bürgerlichen
Abendgesellschaften, man plauderte, schlürfte eine Tasse
Tee und musizierte ein wenig. Louise Elissane spielt mit
feinem Geschmack und wirklichem Kunstverständnis Pi-
ano, Marcel Lornans – welcher Zufall – »besaß«, um das ge-
bräuchliche Wort anzuwenden, gerade eine recht hübsche
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Stimme. So fügte es sich, daß der junge Mann und das junge
Mädchen einige neuere Kompositionen vortragen konnten.
Clovis Dardentor verehrte die Musik und widmete ihr
eine so begeisterte unbewußte Aufmerksamkeit wie viele
andere Leute, die nur wenig davon verstehen. Diesen ge-
nügt es, daß die Töne zu einem Ohr ein- und durch das an-
dere austreten, ohne daß ihr Gemüt einen Eindruck davon
empfängt. Nichtsdestoweniger unterließ es unser Perpigna-
neser nicht, seine Lobsprüche auszuteilen, zu applaudieren
und mit südländischer Begeisterung »Bravo« und »Bravis-
simo« zu rufen.
»Zwei Talente, die sich einander vermählen!« sagte er
schließlich.
Die junge Pianistin lächelte dazu, der junge Sänger sah
etwas verlegen aus, und Herr und Frau
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