Clovis Dardentor
Fröhlichkeit wie-
dergeangelt?«
»Geangelt . . . wie Sie sagen«, bestätigte Marcel Lornans,
»er ist nur der Gefahr ausgesetzt, sie sich wieder entwischen
zu lassen.«
»Ei, weshalb denn?«
»Weil wir uns doch wieder trennen müssen, Herr Dar-
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dentor, und Sie nach der einen, wir nach der anderen Seite
gehen müssen.«
»Wie? . . . Uns trennen?«
»Nun freilich . . . da die Familie Désirandelle auf Ihre
Person Beschlag legen wird.
»Ach, papperlapapp, das gibt’s nicht. Ich lasse nicht zu,
daß jemand mich in Fesseln und Bande schlägt. Daß ich es
von Zeit zu Zeit annehme, bei Frau Elissane einen Teller
Suppe mitzuessen . . . das mag sein. Den Vormittag und den
Nachmittag behalte ich mir aber vor und hoffe, daß wir sie
dazu verwenden, durch die Stadt zu spazieren . . . zusam-
men, durch die Stadt und ihre Umgebung . . .«
»Ah, das ist schön, Herr Dardentor!« rief Jean Taconnat.
»Ich möchte niemals von Ihrer Seite weichen!«
»Keinen Fußbreit und keine Woche lang!« erwiderte un-
ser Perpignaneser wärmer werdend. »Ich liebe nun einmal
die Jugend und komme mir nur halb so alt vor, wenn ich
mit Freunden zusammen bin, die um die Hälfte jünger sind
als ich! . . . Und doch . . . recht überlegt . . . könnt’ ich bequem
Ihr Vater sein . . .«
»Oh, Herr Dardentor!« rief Jean Taconnat, der diesen
Herzensaufschrei nicht zurückhalten konnte.
»Wir bleiben also vereinigt, meine jungen Herren! Es
wird Zeit genug sein, voneinander zu lassen, wenn ich von
Oran scheide, um . . . ja, meiner Treu, ich weiß nicht, wohin
zu gehen.«
»Nach der Verheiratung?«
»Welcher Verheiratung?«
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»Der des jungen Désirandelle.«
»Ah, richtig. Daran dacht’ ich schon gar nicht mehr . . .
Hm, ’s ist doch ein sehr hübsches Mädchen, das Fräulein
Elissane!«
»Das haben wir auch sofort entdeckt, als sie an Bord der
›Argèlès‹ kam«, bestätigte Marcel Lornans.
»Ja, ich nicht weniger. Seit ich aber bei ihrer Mutter ge-
sehen habe, wie sie so graziös, so aufmerksam, so . . . nun ja,
so . . . kurz, da hat sie bei mir noch um 100 Prozent gewon-
nen! Wahrlich, dieser Guck-in-die-Welt Agathokles wird
nicht zu beklagen sein . . .«
»Wenn er Fräulein Elissane gefällt«, glaubte Marcel
Lornans einwerfen zu sollen.
»Natürlich . . . er wird aber gefallen, der Bursche! Beide
kennen sich ja seit ihrer Geburt . . .«
»Und sogar seit noch früher!« sagte Jean Taconnat.
»Agathokles ist eine gutmütige Natur . . . freilich, vielleicht
ein wenig . . . ein wenig . . .«
»Ein wenig . . . viel . . .«, sagte Marcel Lornans.
»Und eigentlich doch gar nicht . . .«, fiel Jean Taconnat
ein.Für sich aber murmelte er weiter:
»Doch gar nicht das, was Fräulein Elissane verlangen
kann!«
Jedenfalls glaubte er die Stunde aber noch nicht gekom-
men, diese Ansicht vor Herrn Dardentor auszusprechen,
der in seinem Satz fortfuhr:
»Ja . . . er ist ein wenig . . . ich geb’ es zu . . . Doch, mag sein
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. . . er wird schon gelenkiger werden . . . wie ein Murmeltier
nach dem Winterschlaf . . .«
»Und wird doch ewig ein Murmeltier bleiben!« konnte
Marcel Lornans zu sagen nicht unterdrücken.
»Nachsichtig, meine jungen Herren, nachsichtig!«
mahnte Herr Dardentor. »Wenn Agathokles nur mit Pa-
risern wie mit Ihnen verkehrte, würde er vor Ablauf von
2 Monaten etwas weltklüger sein. Sie sollten ihm Unterricht
geben.«
»Unterricht, um geistvoller zu werden . . . zu 100 Sold
die Stunde!« rief Jean Taconnat. »Das hieße: ihm sein Geld
stehlen!«
Herr Dardentor wollte sich noch nicht ergeben. Daß der
junge Désirandelle schneidig war wie eine bleierne Klinge,
das sagte er sich wohl selbst.
»Lachen Sie, lachen Sie nur, meine Herren!« fuhr er fort.
»Sie vergessen, daß die Liebe den Dümmsten gibt, was sie
den Schlausten an Geist raubt, und wonach wird sie reich-
lichst beschenken, den jungen . . .«
»Gagathokles!«vollendete Jean Taconnat den Satz.
Herr Dardentor mußte über die Verdrehung laut aufla-
chen.
Marcel Lornans brachte das Gespräch jetzt auf Frau Elis-
sane. Er erkundigte sich nach der Lebensweise, die sie in
Oran führe . . . wie Herr Dardentor ihr Haus gefunden habe
. . . »Oh, eine sehr nette Wohnstätte«, antwortete dieser, »ein
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niedlicher Käfig, der durch die Anwesenheit eines reizen-
den Vogels belebt wird. Sie werden dahin kommen . . .«
»Wenn das nicht indiskret erscheint«,
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