Clovis Dardentor
bedauern, meine Freunde empfangen zu haben.«
Vielleicht fand Frau Désirandelle diesen Vorschlag des
Herrn Dardentor mindestens etwas unzeitig. Frau Elis-
sane mußte ihm aber doch wohl oder übel zustimmen. Sie
konnte Herrn Dardentor nun einmal nichts abschlagen.
»Mir nichts abschlagen!« rief dieser. »Gut, ich nehme Sie
beim Wort, geehrte Frau! Übrigens verlange ich nur ver-
nünftige Dinge – die mir und anderen so erscheinen – fra-
gen Sie den Freund Désirandelle darüber.«
»Gewiß, gewiß!« bestätigte, ohne besonders davon über-
zeugt zu sein, der Vater von Agathokles.
»Es ist also abgemacht«, fuhr Herr Dardentor fort, »die
Herren Marcel Lornans und Jean Taconnat werden den
morgigen Abend bei Frau Elissane zubringen. – Ah, Dési-
randelle, wären Sie bereit, morgen von 9 Uhr an bis zu Mit-
tag mit uns die Stadt zu besuchen?«
»Sie werden mich entschuldigen, Dardentor, ich
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wünschte aber, die Damen nicht zu verlassen und unserer
lieben Louise Gesellschaft zu leisten . . .«
»Ganz nach Belieben . . . ich begreife das. Oh, Fräulein
Louise, wie liebt man Sie schon in der vortrefflichen Fami-
lie, in die Sie eintreten sollen! . . . Nun, Agathokles, du sagst
gar nichts, mein Junge? . . . Sapperment, findest du denn
Fräulein Louise nicht ebenfalls reizend?«
Agathokles hielt es für geistreich, zu antworten, daß,
wenn er nicht laut sagte, was er dächte, er eben dächte, es
wäre besser, das heimlich zu sagen . . . eine mühsam zusam-
mengedrechselte Phrase, die gar nichts bedeutete, und mit
der er ohne Dardentors Nachhilfe nicht einmal fertig ge-
worden wäre.
Louise Elissane bemühte sich gar nicht, den Widerwil-
len zu verhehlen, den dieser Tropf ihr einflößte. Sie sah
nur Herrn Dardentor mit ihren großen, schönen Augen an,
während Frau Désirandelle, um ihren Sohn zu ermutigen,
sagte:
»Ist er nicht nett?«
Und Herr Désirandelle fügte noch hinzu:
»Und wie lieb er sie hat!«
Offenbar wehrte sich Herr Dardentor, klarzusehen.
Wenn die Heirat beschlossen war, so war sie, seiner Mei-
nung nach, so gut wie vollzogen, und es kam ihm gar nicht
in den Sinn, daß die Sache anders ablaufen könnte.
Frisch, lustig, strahlend, zu allem aufgelegt wie immer
traf Clovis Dardentor am folgenden Morgen bei der Scho-
kolade mit den beiden Parisern zusammen.
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Sofort teilte er ihnen mit, daß sie den heutigen Abend
bei Frau Elissane verbringen sollten.
»Ein herrlicher Gedanke von Ihnen, uns dort einzufüh-
ren«, jubelte Marcel Lornans. »Während des Verweilens in
der Garnison wird uns wenigstens ein angenehmes Haus of-
fenstehen . . .«
»Ein angenehmes . . . sogar sehr angenehmes!« erwiderte
Clovis Dardentor. »Freilich . . . nach der Verehelichung von
Fräulein Louise . . .«
»Ja, das ist wahr«, sagte Marcel Lornans, »da gibt’s eine
Hochzeit . . .«
»Zu der Sie natürlich eingeladen werden, meine jungen
Freunde.«
»Herr Dardentor«, meldete sich Jean Taconnat, »Sie
überhäufen uns mit Freundlichkeiten. Ich weiß nicht, wie
wir das einmal vergelten sollten. Sie behandeln uns . . .«
»Wie meine Kinder! Würde mein Alter mir denn nicht
erlauben, Ihr Vater zu sein?«
»Ach, Herr Dardentor, Herr Dardentor!« rief Jean Ta-
connat mit einer Stimme, die gar vieles verriet.
Der ganze Tag wurde darauf verwendet, die Stadt zu
durchstreifen. Das Touristentrio besuchte deren vor-
nehmste Promenaden, die mit schönen Blumen besetzte
Turiner Allee, den Boulevard Oudinot mit seiner Doppel-
reihe von Bella-ombra, den Carrière, den Theaterplatz, so-
wie den von Orléans und Nemours.
Dabei fand sich Gelegenheit, die verschiedenen Ty-
pen der oranischen Bevölkerung kennenzulernen, worun-
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ter sich viele Angehörige des Heeres befanden, von denen
wieder eine Anzahl die Uniform der 7. Afrikanischen Jäger
trug.
»Höchst elegant, diese Uniform«, rief Clovis Dardentor
wiederholt. »Die verzierte Joppe müßte Ihnen dann wie ein
Handschuh sitzen und Sie würden im Trab avancieren! Oh,
ich sehe Sie schon als glänzende Offiziere, denen eine noch
glänzendere Heirat bevorsteht! Wahrhaftig, es ist doch ein
stolzer Beruf, der des Soldaten . . ., wenn man eben Lust
dazu verspürt . . . und das gilt doch von Ihnen.«
»Ja, das liegt so im Blut«, erklärte Jean Taconnat. »Wir
verdanken es unseren Vorfahren, braven Kaufleuten der
Saint-Denisstraße, deren militärische Neigungen wir
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