Clovis Dardentor
bemerkte Marcel
Lornans.
»Ich stelle Sie vor, da macht sich das schon von selbst.
Übrigens nicht gleich heute . . . Agathokles muß erst festen
Fuß fassen können. Wir werden morgen einmal sehen . . .
Jetzt lassen Sie uns an die späteren Spaziergänge denken.
Die Stadt . . . ihr Hafen . . . ihre Bauwerke . . .«
»Und unser Dienstvertrag?« wandte Marcel Lornans
ein.»Den brauchen Sie heute noch nicht zu unterschreiben
. . . morgen auch nicht . . . übermorgen auch noch nicht!
Warten Sie wenigstens bis nach der Hochzeit . . .«
»Da müßten wir vielleicht bis zu dem Alter warten, wo
man uns entlassen muß . . .«
»Nein, nein! Das wird sich nicht verschleppen!« Welcher
Schwall von Ausdrücken, die alle die Feinfühligkeit Patrices
schwer verletzt hätten.
»Jetzt sei also«, ergriff Herr Dardentor wieder das Wort,
»nicht mehr vom Eintreten in den Dienst die Rede . . .«
»Beruhigen Sie sich«, versicherte Jean Taconnat. »Wir
haben uns einen 14tägigen Urlaub gegönnt. Haben sich un-
sere Verhältnisse bis dahin nicht geändert, sind nicht neue
Interessen . . .«
»Schön, liebe Freunde . . . jetzt keine Auseinandersetzun-
gen!« rief Clovis Dardentor. »Sie haben sich 14 Tage vor-
behalten . . . ich nehme sie und gebe Ihnen Quittung dar-
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über! Während dieser Zeit gehören Sie mir. Wahrlich, ich
habe mich auf der ›Argèlès‹ doch nur eingeschifft, weil ich
wußte, daß ich Sie auf dem Schiff treffen würde . . .«
»Und doch hatten Sie die Abfahrt versäumt, Herr Dar-
dentor!« gab ihm Jean Taconnat anzuhören.
In der besten Laune der Welt stand unser Perpignaneser
vom Tisch auf und trat in die Vorhalle hinaus.
Hier wartete Patrice.
»Hat der Herr mir noch Befehle zu erteilen?«
»Befehle? . . . Nein, doch dir ›campo‹ für den ganzen Tag.
Schreib dir das hinter die Ohren und lösch es vor 10 Uhr
nicht aus!«
Patrice verzog den Mund, denn er dankte seinem Herrn
nicht im mindesten für einen Urlaub, der in solchen Aus-
drücken erteilt wurde.
»Der Herr wünscht also nicht, daß ich ihn begleite?«
»Ich wünsche weiter nichts, Patrice, als dich nicht länger
auf den Fersen zu haben, und bitte dich, mir die deinigen
zuzukehren!«
»Der Herr gestattet mir wohl noch eine Empfehlung . . .«
»Nun ja, wenn du gleich darauf verschwindest.«
»Nun, die Empfehlung, deren der Herr eingedenk sein
mag, geht dahin, keinen Wagen zu besteigen, ehe der Kut-
scher nicht auf seinem Platz ist. Das dürfte nicht immer mit
einem Segensspruch enden, sondern gelegentlich mit ei-
nem Kopfsturz.«
»Nun aber zum Teufel mit dir!«
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Clovis Dardentor ging zwischen den beiden Parisern die
Freitreppe vor dem Hotel hinunter.
»Wahrlich, ein seltenes Muster von Diener, das Sie ha-
ben«, bemerkte Marcel Lornans, »korrekt und vornehm im
höchsten Grad.«
»Doch auch ein Quälgeist erster Sorte! Im übrigen ist
er ein prächtiger Kerl, der durchs Feuer ginge, um mich zu
retten . . .«
»Damit wäre er nicht der einzige, Herr Dardentor!« rief
Jean Taconnat, der eintretenden Falls gewiß versucht hätte,
Patrice aus seiner Rolle als Lebensretter zu verdrängen.
Im Lauf dieses Morgens gingen Clovis Dardentor und
die beiden Vettern längs der Kais in der unteren Stadt spa-
zieren. Der Hafen von Oran ist dem Meer erst abgerungen
worden. Ein langer Molo beschützt ihn und quer verlau-
fende Stämme teilen ihn in einzelne Becken, die zusammen
eine Oberfläche von 24 Hektar haben.
Wenn die beiden jungen Leute dem lebhaften Handel-
streiben, das Oran unter den algerischen Städten den ers-
ten Rang gesichert hat, keinen besonderen Geschmack ab-
gewinnen konnten, so zeigte der frühere Industrielle von
Perpignan dafür doch das größte Interesse. Das Verladen
der Alfa, die einen bedeutenden Ausfuhrartikel bildet und
von ausgedehnten Gebieten des Südens der Provinz in gro-
ßer Menge geliefert wird, die Verschiffung der Tiere, des
Getreides und Rohzuckers, die Verfrachtung der in der
Berggegend gewonnenen Mineralien – das war so etwas für
Herrn Dardentor.
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»Das weiß ich«, sagte er, »in dem Leben und Treiben hier
werd’ ich noch manchen Tag verbringen. Hier ist mir, als
befände ich mich noch in meinen mit Fässern angefüllten
Schuppen. Etwas Merkwürdigeres kann Oran gar nicht zu
bieten haben . . .«
»Außer vielleicht seinen Baudenkmälern, seiner Ka-
thedrale, seinen Moscheen und ähnlichem«,
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