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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hat er bewiesen, als er in die
    Eulalienkirche hineinstürmte, um dort den Segen zu emp-
    fangen. Anders aber, wenn er sich einer Gefahr nicht ver-
    sähe, wenn er vom Feuer überrascht würde und ihm nur
    von außen Hilfe gebracht werden könnte . . .«
    »Du gibst also den Gedanken nicht auf, Jean, daß Herr
    Dardentor unser Adoptivvater werden möchte?«
    »Gewiß . . . unser Adoptivvater!«
    »Ja doch! . . . Du willst also nicht darauf verzichten?«
    »Nimmermehr!«
    »Nun, so will ich nicht länger darüber scherzen, Jean,
    doch unter einer Bedingung . . .«
    »Und die wäre?«
    »Daß du endlich dein griesgrämiges Gesicht ablegst,
    wieder den guten, schönen Humor von früher zeigst und
    die Sachen von der lustigen Seite nimmst.«
    »Zugestanden, Marcel . . . lachend, wenn es mir gelingt,
    Herrn Dardentor aus einer der vom Zivilgesetzbuch vorge-
    sehenen Gefahren zu retten . . . lachend, wenn sich die Ge-
    legenheit dazu nicht böte . . . lachend, wenn ich Erfolg habe,
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    lachend, wenn mir’s mißglückt, lachend, immer und über-
    all!«»So lass’ ich mir’s gefallen, dann bist du wieder der alte.
    Was nun unseren Dienstantritt betrifft . . .«
    »Oh, damit hat es keine solche Eile, Marcel, und bevor
    ich nach dem Büro des Unterintendanten gehe, beanspru-
    che ich eine Gnadenfrist . . .«
    »Für wie lange?«
    »Für wenigstens 14 Tage. Was, zum Kuckuck, wenn man
    sich fürs ganze Leben eintragen läßt, kann man sich doch
    erst 14 Tage schöner Freiheit zusprechen . . .«
    »Meinetwegen, 14 Tage, Jean, und wenn du bis dahin
    keinen Vater in der Person des Herrn Dardentor beschafft
    hast . . .«
    »Ich oder du, Marcel . . .«
    »Oder ich . . . mag sein . . . dann setzen wir die Soldaten-
    mütze auf.«
    »Einverstanden, Marcel!«
    »Bis dahin bleibst du aber lustig, Jean?«
    »Lustig, wie der ausgelassenste Buchfink!«
    — 177 —
    9. KAPITEL
    Worin die 14tägige Frist für Marcel Lornans
    wie für Jean Taconnat erfolglos verstreicht
    Ein Haushahn kann beim ersten Morgengrauen nicht fide-
    ler sein als Jean Taconnat, als er aus seinem Bett sprang und
    Marcel Lornans mit seinem Trällern weckte. 14 Tage . . . er
    hatte ja 14 Tage vor sich, um jenen braven Mann und dop-
    pelten Millionär in ihren Adoptivvater umzuwandeln.
    Übrigens war es gewiß, daß Clovis Dardentor Oran nicht
    verlassen würde, ehe nicht die Vermählung Agathokles Dé-
    sirandelles und Louise Elissanes gefeiert war. Er mußte dem
    Sohn seiner alten Freunde doch als Trauzeuge dienen. 4 bis
    5 Wochen mochten aber wenigstens hingehen, bevor es zu
    dieser Hochzeitsfeier kam . . . wenn es überhaupt dazu kam.
    Würde sie aber wirklich stattfinden?
    Diese »Wenn« und »Aber« hüpften im Gehirn Mar-
    cel Lornans hin und her. Es schien ihm ganz undenkbar,
    daß jener Bursche der Gatte dieses reizenden jungen Mäd-

chens werden sollte, denn so wenig er sie auf dem Verdeck
    der ›Argèlès‹ auch gesehen hatte, hätte er es doch als eine
    Pflichtvergessenheit empfunden, sie nicht zu verehren und
    zu bewundern. Daß Herr und Frau Désirandelle in ihrem
    Agathokles einen für Louise ganz passenden Ehegemahl er-
    blickten, war ja am Ende erklärlich. Von jeher sind Eltern
    bezüglich ihrer Kinder ja stets mit ziemlich starker Blind-
    heit geschlagen. Es war aber ganz ausgeschlossen, daß der
    Perpignaneser sich nicht früher oder später über die völlige
    — 178 —
    Bedeutungslosigkeit des Agathokles klarwerden und nicht
    erkennen sollte, daß zwei so verschiedene Wesen nicht für
    einander geschaffen seien.
    Um halb 9 Uhr früh trafen sie Herr Dardentor und die
    Pariser im Speisesaal des Hotels beim ersten Frühstück.
    Clovis Dardentor war in rosigster Laune. Er hatte ges-
    tern abend gut gegessen und die Nacht über gut geschlafen.
    Wer aber mit einem vortrefflichen Magen, einem ausge-
    zeichneten Schlaf und einem guten Gewissen dem nächsten
    Tag nicht freudig entgegensehen kann, der wird das niemals
    können.
    »Meine jungen Freunde«, begann Herr Dardentor, wäh-
    rend er sein Weißbrötchen in eine Tasse ausgezeichne-
    ter Schokolade tauchte, »wir haben uns seit gestern abend
    nicht gesehen, und diese Zeit der Trennung ist mir recht
    lang vorgekommen.«
    »Sie sind uns aber im Traum erschienen, Herr Darden-
    tor«, antwortete Jean Taconnat, »mit einem Strahlenschein
    um den Kopf . . .«
    »Als Heiliger, nicht wahr?«
    »Nun, so wie ein Schutzpatron der Ostpyrenäen!«
    »Ah, Herr Jean, Sie haben also die alte

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