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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Moggach
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wirst dich von diesen verdammten Teddybären trennen.«
 
    Später dachte Andy oft an diese Nacht zurück. Der Vorhang zwischen ihnen hatte sich gehoben, und sie wurden einander offenbart. Es gab ein Gewitter, daran erinnerte er sich; die sommerliche Hitzewelle war beendet. Danach waren sie ins Bett gegangen, erschöpft, und hatten sich wie wahre Liebende geliebt, ungeniert und heftig. Am Morgen war er ins Sortierzentrum der Post gegangen, seine Augen gereizt von mangelndem Schlaf, seine Glieder schwer wie Sandsäcke, doch erfüllt von stummer Heiterkeit.
    Ich werde heiraten . Er steckte die Briefe in ihre Sortierfächer, das Geplauder der Kollegen hallte von fern wider. Er war isoliert und zugleich mit der Menschheit vereint. Das taten ganze Kerle: sie heirateten und bekamen Kinder. Er erzählte niemandem davon; mit einem Geheimnis ausgestattet, scherzte er mit seinen Kollegen, als wäre es ein normaler Tag. Später, beim Austragen der Post, schaute er auf die Mr und Mrs auf den Briefumschlägen. Kreditkartenabrechnungen, lauter langweiliges Zeug, niemand schrieb noch echte Briefe. Aber selbst die Werbepost kriegte dadurch Gewicht: Mr und Mrs; er hatte den Code geknackt, war dem Club beigetreten. Nach dem Gewitter hatten die Straßen einen frischen Geruch, sogar die Straßen von Neasden, deren Vorgärten zu betonierten Parkplätzen geworden waren, wo Abfall sich am Bordstein auftürmte. Eine Amsel sang für ihn.
    Vier Jahre waren seitdem vergangen. Die Vorhänge hatten sich nur kurz geöffnet und geschlossen; jener Augenblick von ungeschminkter Ehrlichkeit hatte sich nie wiederholt. Sie zogen in ein größeres Haus in Cricklewood und verbrachten achtzehn Monate mit Umbauarbeiten, die Luft vernebelt vom Staub des Bauschutts. Toni hatte sich als gewiefte Geschäftsfrau entpuppt. Seit dem Crash waren die Immobilienpreise dramatisch gefallen; sie hatte ihren Job als Friseuse aufgegeben und sich drei Immobilien in Stratford nahe den olympischen Austragungsorten gekauft, um sie zu vermieten. Die Preise schnellten schon in die Höhe. Sie trainierte im Fitnessstudio, und für Ryan, der in der Schule schlechte Noten hatte, stellte sie einen Nachhilfelehrer ein. Sie war ein Erfolgstyp.
    »Warum gibst du nicht deinen Job auf?«, fragte sie. »Die Bezahlung ist eine Schweinerei, und du bist immer hundemüde. Du könntest bei mir einsteigen und Projektleiter werden. Ich schließe nächste Woche einen Vertrag für die Calthorpe Road ab, das bringt eine Menge Arbeit.«
    Andy antwortete nicht. Wenn sie anderen erzählte, mein Mann ist Briefträger , lachte sie in sich hinein. Schämte sie sich seinetwegen?
    Toni blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Vielleicht gefällt es dir, mit den Hausfrauen zu flirten.«
    »Sei nicht albern.« Er lieferte die Post in Neasden aus; die meisten seiner Kunden kamen aus dem Punjab. »Einige von denen sprechen nicht mal Englisch.«
    »Wer hat gesagt, dass du reden musst?«
    Andy zuckte mit den Achseln. Sie hatte keine Ahnung. Er stellte sich die verlegenen, in Saris eingehüllten Matronen vor, die immer die Amazon-Pakete ihrer Söhne entgegennahmen, und wollte lachen. Er war kein Flirttyp; er war Briefträger und stolz darauf. Toni würde seine Loyalitätsgefühle gegenüber seinen Kunden nie verstehen, sein Wissen, dass er eine kleine, aber wesentliche Rolle in ihrem Leben spielte. Er liebte seinen Job. Trotz der immer schwereren Lasten und längeren Schichten, trotz der Wichtigtuerei in der Verwaltung, der Vorgaben undAnweisungen und des unternehmerischen Schwachsinns, trotz des implodierenden Chaos, das die Royal Mail war. Es gab noch einen Kameradschaftsgeist im Sortierzentrum. Er genoss den Zauber der Morgendämmerung, die Straßen des Außenbezirks, wenn sie zu Leben erwachten. Er mochte die kuriose Mischung aus Einsamkeit und Gemeinschaftsgefühl, die den Arbeitstag eines Postlers ausmachte. Er erzählte Toni nichts davon. Außerdem hatte sie sich nie danach erkundigt.
    »Jetzt bist du eingeschnappt«, sagte sie.
    »Bin ich nicht.«
    »Ha, du wirst ganz rot!« Sie stupste ihren Sohn an. »Guck mal, Ryan, Daddy ist sauer.«
    »Bin ich nicht.« Er wollte sagen, nicht sein Daddy . »Wir sind da.«
    Sie waren an den Toren des Parks angekommen. Es war Samstag, und er machte mit ihnen einen Ausflug.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte Ryan.
    »Das habe ich schon gesagt. Es gibt da etwas, das ich dir zeigen will.« Andy führte sie einen Weg entlang. »Einer von meinen Kumpels hat mir davon

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