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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Moggach
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erzählt. Es heißt Postman's Park, weil es nicht weit von der Sortierzentrale ist.«
    Um sie herum ragten Bürogebäude in die Höhe. Hinter ihnen stand die St. Pauls's Kathedrale, unsichtbar, aber gewaltig.
    »Hier gibt es nichts«, sagte Toni.
    »Doch, gibt es schon.«
    Er führte sie an den Blumenbeeten vorbei zu einer Wand mit Kacheln, die von einem Dach geschützt wurde. Sie waren allein in dem kleinen ruhigen Park, inmitten von Platanen.
    »Ich habe gedacht, wir würden zum neuen Einkaufszentrum gehen«, sagte Toni. »Das bei St. Paul's. Ich habe gedacht, das ist die Überraschung.«
    »Nein. Das hier.« Er zeigte auf die Kacheln. »Sie wurden in Königin Viktorias Zeit aufgestellt. Lies doch mal eine.«
    »Was?«
    »Lies eine. Du wirst staunen.«
    Toni schaute ihn verwirrt an. Sie trat näher heran und starrte auf eine Tafel. » Frederick Alfred Croft, 31 Jahre alt. Rettete eine Wahnsinnige vor dem Selbstmord im Woolwich-Arsenal-Bahnhof, wurde dabei selbst von dem Zug überfahren .«
    »Eklig«, sagte Ryan.
    »Schau mal, der Junge hier ist so alt wie du«, sagte Andy. » Henry James Bristow, acht Jahre alt, rettete das Leben seiner kleinen Schwester, indem er ihre brennenden Kleider abriss. Dabei fing er selbst Feuer und starb an den Verbrennungen und dem Schock .« Er blickte zu Ryan. »Das sind ganz normale Menschen wie wir, die wirklich tapfere Dinge gemacht haben. Das hier sind ihre Denkmale.«
    »Was für ein Scheiß«, sagte Ryan und bohrte in der Nase.
    Toni setzte sich auf eine Bank. »Ich fasse es nicht. Bist du krank oder was?« Sie schüttelte den Kopf. »Du hast uns den langen Weg hierher gebracht, damit wir uns das da ansehen? Weißt du, wie abartig das ist?«
    »Ich hab nur gedacht … irgendwie inspirierend –«
    »Schau dir doch Ryan an! Du hast ihn total verstört.«
    Sie schauten auf Ryans gebeugten Kopf. Er saß auf dem Rasen und spielte auf seiner Nintendo-Konsole. Wisch wisch wisch  … machten seine Finger.
    »Er sieht mir ganz okay aus«, sagte Andy.
    »Er wird noch wochenlang Albträume haben.«
    Ryan schaute hoch. »Das ist langweilig. Ich will nach Hause.«
    »Siehst du?« Toni stand auf. »Er muss weg von hier, es istgruuuselig.« Sie packte Ryans Hand. »Komm, mein Liebling. Wir gehen Eis essen.«
 
    Mrs Enid Price wohnte in Neasden, Arnos Drive 12. Andy stellte ihr die Post schon seit Jahren zu. Sie war eine zerbrechliche, ältere Witwe, rassistisch und nervös, aber er mochte sie. Sie war einsam, ihre Nachbarn waren nach und nach weggezogen und durch Mehrfachbelegungen und indische Familien ersetzt, mit denen sie wenig gemeinsam hatte; manchmal, so vermutete Andy, war er der Einzige, mit dem sie am Tag sprach. Postalisch gesehen war er vertraut mit ihrem Leben. Er wusste Bescheid über ihre alte Schulfreundin in Wigan (zittrig geschriebene Adresse), den Stand ihrer Finanzen (letzte Mahnungen), ihre Liebe zu Vögeln (das Magazin der Königlichen Gesellschaft der Vogelschützer). Mitunter fasste sie ihn mit ihren harten Fingern am Arm. »Ich brauche Ihre Hilfe, junger Mann«, sagte sie und trieb ihn in ihr Wohnzimmer, wo er eine Wespe totschlagen oder ein Möbelstück verschieben sollte. Sie erzählte ihm von ihrem verstorbenen Mann, wie er als medizinische Hilfskraft im Krieg Leichen aus den Trümmern gezogen und wie er sich nie richtig davon erholt hatte. Manchmal schaute er nach Ende seiner Runde auf einen Sprung bei ihr vorbei und trank eine Tasse Tee.
    Und dann brach Enid sich die Hüfte. Sie kam aus dem Krankenhaus, war sehr geschwächt und durcheinander. Jeden Morgen saß sie am Fenster und wartete auf ihn.
    »Sie haben mich wohl in eine Art Hotel eingewiesen«, sagte sie.
    »Das ist kein Hotel, meine Liebe. Es ist Ihr Haus.«
    Ihre Finger kneteten seinen Arm. »Holen Sie mich hier raus, ich will nach Hause.«
    Mit den Wochen verlor sie immer mehr die Orientierung.
    »Da ist ein Mann oben in meinem Bett«, flüsterte sie. »Und ein anderer in meinem Kleiderschrank. Ich habe nie was von einem flotten Dreier gehalten und werde damit auch jetzt nicht anfangen.«
    Am Abend wiederholte Andy diese Bemerkung Toni gegenüber. Er dachte, sie könnten darüber lachen; sie beklagte sich ja immer, dass er nicht genug mit ihr redete.
    Toni sah ihn aufmerksam an. »Die ist wohl gaga?«
    Andy nickte. »Die Krankenschwester kam gerade, als ich da war. Man wird sie ins Heim stecken.«
    Toni hielt inne, den Pfannenheber in der Hand. Sie briet gerade Hähnchenschenkel. »Reichst du mir

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