Club der gebrochenen Herzen
nein?« Sie blickte ihn an, die Augen glitzerten von Tränen. »Und was zum Teufel machst du gerade?«
»Wir müssen nicht auseinandergehen«, sagte er kraftlos.
»Sei nicht blöd. Natürlich werden wir das. Ich habe es schon seit Monaten kommen sehen.«
In den darauffolgenden Tagen passierte Seltsames. Jetzt, da sie wussten, dass ihre Ehe am Ende war, löste sich die Anspannung; die Worte waren gesagt, die Entscheidung getroffen, und eine eigentümliche Gelöstheit lag in der Luft. Sie gingen behutsam miteinander um, wie mit Invaliden. Sie hörten auf, sich anzufahren; sie waren nicht aufgebracht, bloß unendlich traurig. Und plötzlich öffneten sich die Schleusen; sie ertappten sich dabei, wie sie bis spät in die Nacht miteinander redeten, wie Passagiere auf einem Langstreckenflug, Fremde, die schon seit zwölf Stunden nebeneinander gesessen haben, aber erst miteinander plaudern, als das Flugzeug zum Landen ansetzt. Toni erzählte ihm, dass man sie in der Schule schikaniert hatte, weil ihre Mutter in der Irrenanstalt war. Andy erzählte ihr von seiner ergebnislosen Suche nach seinem Vater, seiner Wut und seinem Trinken, von seinen verpfuschten Beziehungen mit Mädchen. Und vieles, vieles mehr. Warum hatten sie nie so miteinander gesprochen, als sie ein gemeinsames Leben vor sich hatten?
Jetzt, da ihre Ehe gescheitert war, wurden sie endlich Freunde. Nein, nicht Freunde – Verbündete im Leid. Sie gingen mit Ryan zum Bowling und sagten ihm, dass Andy ausziehen würde, aber nicht weit weg, und dass er ihn weiterhin zum Fußball mitnähme. Toni und ihr Sohn rückten enger zusammen und kehrten zu ihrem früheren Überlebensmodus zurück; obwohl Ryan ohnehin schon übergewichtig war, stopfte sie ihn mit Pizza voll und ließ ihn bis tief in die Nacht auf seinem Computer spielen. Wie könnte Andy sie dafür kritisieren? Finanzielle Absprachen wurden getroffen; Toni nahm ein Darlehen auf, um ihm den geringen Betrag, den er ins Haus gesteckt hatte, auszuzahlen. Sie ging die Sache geschäftsmäßig an und arbeitete im Zigarettenmief die Summen auf ihrem Computer durch, sie paffte nämlich wieder.
Ob sie nun Mrs Price' Haus gekauft hatte, ging ihn nichts mehr an. Die Royal Mail bekam einen weiteren Irrsinnsanfall von Neuorganisation, und er wurde nach Harrow versetzt; in den Geburtswehen der Ablösung gerieten seine ehemaligen Kunden in Vergessenheit. Toni half ihm beim Zusammenpacken seiner Habseligkeiten. Ihr blasses, teigiges Gesicht war nackt, ihr Haar hatte sie mit einem Gummiband straff nach hinten gezogen wie eine prollige Alleinerziehende. Sie war alleinerziehend. Diese geschlechtslose Frau brach ihm das Herz. Er dachte, wie seltsam, dass der Vorhang zwischen ihnen sich genau zwei Mal gehoben hatte, ein Mal am Anfang und ein Mal am Ende ihrer Ehe.
Am Abend vor seiner Abreise schnitt Toni ihm das Haar, als bereitete sie ihn auf eine lange Reise vor.
»Das mit Immobilien ist verdammt einsam«, sagte sie. »Die Handwerker sind alle aus der Ukraine und reden noch weniger als du.« Sie seufzte. »Ich vermisse den Frisiersalon. Wir haben rumgeflachst, die Mädels und ich.«
»Über was habt ihr denn geredet?« Er erinnerte sich an ihre Freundinnen, die sich im Wohnzimmer getroffen hatten, das Kreischen und Kichern, das Verstummen, als er eintrat. »Über was redet ihr Frauen eigentlich?«
Schnipp, schnipp machte ihre Schere. »Natürlich über Typen wie dich.«
ZEHNTES KAPITEL
Buffy
Ausnahmsweise war es warm. Buffy saß mit seinen Söhnen Bruno und Tobias im Garten und trank Wein. Die beiden jungen Männer hatten sich aufs Gras gefläzt – eine verfilzte Fläche mit sich aussamendem Löwenzahn und kaum als Rasen zu bezeichnen. Sie machten zusammen mit India in Myrtle House Station auf ihrer Heimreise vom Crazy-Sheep-Festival, wo es drei Tage lang in Strömen geregnet hatte. Natürlich war die Sonne genau da herausgekommen, als alle zusammenpackten. Anscheinend die Regel bei Festivals.
Sie waren verdreckt, stanken nach Fußbrand und hatten, zu ihrem jüngeren Ich regrediert, reichlich Drogen genommen, auch das die Regel bei Festivals. Nach ihrer Ankunft waren sie in katatonischer Trance ins Bett gefallen und hatten vierzehn Stunden geschlafen, umgeben vom Inhalt ihrer Rucksäcke. Glücklicherweise waren die einzigen anderen Gäste eine junge Familie, die eine ähnliche Spur der Verwüstung hinter sich ließ. Durchs offene Fenster der Waschküche konnte Buffy den ächzenden Trockner hören, während er
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