Club der gebrochenen Herzen
Zugzeiten nach London. Schon schlug sein Herz schneller. Nicht nur würde er sein Enkelkind kennenlernen; er konnte auch Nyange vorschlagen, einen Kurs über private Finanzen zu geben, und, noch reizvoller, er würde die strahlenden Lichter wiedersehen, die besonders verführerisch in diesen dunklen Tagen aus weiter Ferne lockten, aus einer fernen Welt.
Andy
Ein Unwetter wütete am Mittwochabend, aber Andy bekam nichts davon mit. Er übernachtete im Travelodge, einem Billighotel außerhalb von Leominster, und sein Zimmer war hermetisch abgedichtet gegen die Elemente. Als er am nächsten Morgen früh aus dem Dunkel auftauchte, war der asphaltierte Parkplatz übersät mit Zweigen und Regenpfützen. Bei der Fahrt zur Postsortierung musste er einen heruntergefallenen Baum umkurven.
Warum übernachtete er nicht im Myrtle House? Es war so viel freundlicher als das Travelodge. Im Grunde aber eine Frühstückspension; Buffy war damals in der Ferienwoche sehr großzügig gewesen, doch Andy wollte nicht Buffys Gastfreundschaft ausnutzen. Während das Scheinwerferlicht die Dunkelheit sondierte, machte er sich klar, dass die Antwort irgendwo tiefer lag. Er brauchte die sterile Stille, die völlige Abwesenheit jeglichen menschlichen Kontakts, um seine Gedanken zu ordnen. Er hing in der Luft, in der Schwebe gehalten zwischen dem einen Leben und dem anderen, und welcher Ort war geeigneter, um schwerelos dahinzutreiben, als das Travelodge? Wie er so durch die Dunkelheit fuhr, wurde ihm plötzlich klar: Ich stecke in einer Midlife-Crisis .
Es war wie eine Befreiung, auf diesen ausgeformten Satz zu stoßen. Er hatte im Hinterkopf gelauert, aber bis jetzt nur fürandere gegolten. Ich mache eine Midlife-Crisis durch, ich bin dem Club beigetreten. Die Symptome waren vorhanden: Er war ausgestiegen, mit Karacho ausgestiegen, so total, dass es ihm den Magen umdrehte. Er war ausgestiegen und wusste nicht, was zum Teufel er da eigentlich tat. Erfasste das eine Midlife-Crisis nicht ziemlich gut?
Die Sonne ging am klaren blauen Himmel auf, und er stellte gerade die Post in Knockton zu, ging auf Gartenwegen voll mit Zweigen und drängte sich an überquellenden Abfalleimern vorbei. Die Luft war schneidend kalt. Plötzlich überkam ihn wilder Optimismus. Später empfand er das als eine Art Omen. Eine Katze flitzte über die Straße; Schulkinder drängelten und stießen einander, während sie zur St Jude's Schule strebten, die ihm schon vertraut wurde. Er hatte das eigenartige Gefühl, als lebte er intensiv in der Gegenwart, während Erinnerungen in ihm aufwallten – vermeintlich vergessene Erinnerungen … Ein Lied, das sie in seiner Jugendband gesungen hatten, mit ihm am Schlagzeug: Take me down, baby. Take me where you go. Er war damals noch unberührt, hatte von nichts eine Ahnung. Doch raunten die Worte eindringlich in seinem Ohr, raunten über die Jahre hinweg, als wären sie bedeutsam, und sein Leben zwischen jener Zeit und jetzt, der Großteil seines Erwachsenseins, verschwand, als ob es nie existiert hätte. Dieses Gefühl der Abgetrenntheit war befremdlich, dabei seltsam belebend.
Und nun ging er die Auffahrt zu Powys Wohnmobil-Zentrum hoch, seiner letzten Briefzustellung. Es lag am Rande der Stadt – ein eingezäunter Parkplatz voller Fahrzeuge und im Wind flatternder Wimpel, dazu ein Bungalow mit Büro. Bei der Post war ein Einschreiben an Mr J. Walmer .
Andy klingelte. Die Tür wurde von einer jungen Frau geöffnet, ihr Gesicht tränenüberströmt.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Mir geht's gut«, sagte sie und wischte sich die Nase am Ärmel ab. Sie blickte auf den Brief. »Der ist für Dad. Haben Sie was zu schreiben?«
»Ist wirklich alles in Ordnung?«
Sie schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie war dünn, blässliche Haut und glattes braunes Haar. »Ein Baum ist auf sein Gewächshaus gedonnert. Er wird ausrasten.«
Sie sagte, ihr Vater sei über Nacht weg gewesen und werde später am Tag zurückkommen, sie halte so lange die Stellung. »Nicht, dass wir irgendwelche Kunden hätten. Niemand kauft doch im November Wohnmobile. Würden Sie's etwa tun?«
»Soll ich mal einen Blick drauf werfen?«
Sie führte ihn durch den Bungalow und die Hintertür hinaus. Er sah einen Rasen voller Glasscherben und die Hälfte eines Gewächshauses. Die andere Hälfte hatte ein Baum verbogen.
»Das ist nicht Ihre Schuld«, sagte Andy. »Es ist höhere Gewalt.«
Sie stand neben ihm, die Pulloverärmel über die
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