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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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alten Bäume wuchsen unmittelbar an der schmalen Chaussee und stießen mit ihren festen, frischen Blättern an die Autofenster. In der dünnen reinen Luft wirkten die Farben anders, intensiver, das von der Sonne durchstrahlte Grün leuchtete smaragden. Das Licht wurde heller, die Schatten dichter und dunkler.
    Dann kamen erkaltete vulkanische Lava, braun wie geronnenes Blut, spärliches trockenes Gebüsch und eine absolute, grandiose Leere und Stille.
    Das Zimmer in dem halbleeren einsamen Gasthof war gar nicht teuer. Barinow aß in dem gemütlichen kleinen Restaurant mit Appetit zu Abend und fühlte sich, als er vorm Schlafengehen zu den riesigen, strahlendhell funkelnden Sternen am schwarzen Himmel emporblickte, um zwanzig Jahre jünger.
    Die beiden ersten Tage schlief er lange, freute sich am Nichtstun, an der Stille und der durchsichtigen Bergluft. Am dritten Tag machte er nach dem Mittagessen einen Spaziergang, ging in die verlassene, hallende Kirche und blieb wie versteinert stehen. Vor dem Altar, den Kopf weit zurückgelegt, um die zerbrochenen Buntglasfenster zu betrachten, stand Katja Orlowa.
    Er staunte. Aber weniger über die unverhoffte Begegnung als über seine plötzliche Freude. Wenn er überhaupt jemandem an diesem schönen, menschenleeren Ort begegnen wollte, dann wohl nur ihr, Katja. Sie paßte hierher, fügte sich gewissermaßen in die herrliche Landschaft ein und sah in ihrem blaßblauen Kleid aus leichtem, wehendem Material unglaublich schön aus.
    Sie begrüßte ihn verwundert, freundlich, schob ihn sanft zurück, als er sie umarmen wollte.
    »Jegor? Was für ein merkwürdiger Zufall. Ich bin gestern mit Gleb hier angekommen, für eine Woche, wir wohnen im Hotel in Los Cristianos, an der Küste. Gleb ist am Strand geblieben, um sich zu sonnen, und ich wollte mir den Vulkan ansehen.«
    »Und du bist ganz allein diesen gefährlichen Weg hochgefahren? Ach, Katja, wie ich mich freue! Wie lange habe ich dich nicht gesehen! Freust du dich auch? Wenigstens ein bißchen?«
    »Ein bißchen schon«, sagte sie lächelnd. »Bist du mit deiner Frau hier?«
    »Nein, allein. Ich habe mir für eine Woche freigenommen, ich war völlig erledigt. Erzähl mal, wie geht es dir?«
    Sie verließen die Kirche, gingen die Chaussee hinunter, ein gutes Stück, bis zu dem Buchenwald. Er merkte gar nicht, daß er ununterbrochen redete und sich lebhaft über sein schweres, verwickeltes Leben beklagte, über seine Schlaflosigkeit, über die kalte, ihm fremd gewordene Ehefrau, mit der er vor kurzem noch aufwendig Silberhochzeit gefeiert hatte, darüber, daß er mit niemandem reden konnte, obwohl er den ganzen Tag lang Gespräche führte, daß niemand ihn verstünde, ihn bedaure, ihn liebe.
    »Ich weiß, dein Kalaschnikow ist auch nicht gerade ein Geschenk. Wenn du damals nicht weggelaufen wärst … das war ein ganz dummer Zufall, und du hast mich nicht einmal anhören wollen.«
    »Laß doch die alten Geschichten, Jegor«, sagte Katja stirnrunzelnd, »das ist schon so lange her, daß es gar nicht mehr wahr ist.«
    »Doch, es ist wahr, vielleicht ist es das einzig Wahre in meinem Leben gewesen. Und in deinem auch. Du warst noch so jung und so radikal und konntest überhaupt nicht verzeihen. Mittlerweile hast du es wahrscheinlich gelernt?«
    »Ja, das habe ich. Aber darum geht es gar nicht. Wir hättenuns ohnehin früher oder später getrennt. Es war alles etwas zu romantisch. Natürlich wäre es besser gewesen, wir hätten uns unter anderen Umständen getrennt. Aber was macht das jetzt noch für einen Unterschied?«
    »Ich hatte danach so viele Weibergeschichten, so viele … Wahrscheinlich bist du daran schuld. Es hätte sich für uns beide ganz anders fügen können, aber du hast mir nicht verziehen, und da bin ich völlig über die Stränge geschlagen … Jetzt, wo ich langsam alt werde, hängt mir das alles zum Hals raus, es kotzt mich an, entschuldige den groben Ausdruck.«
    Sie warf einen Blick auf ihre Uhr.
    »Jegor, laß uns zurückgehen, hier wird es früh dunkel. Ich möchte noch im Hellen zurück sein.«
    Er drehte sich abrupt zu ihr um, faßte sie bei den Schultern, zog sie zu sich und flüsterte ihr heiser und verzweifelt ins Gesicht: »Bleib doch.«
    Sie schüttelte rasch seine Hände von den Schultern, trat einen Schritt zurück und sagte leise: »Nein.«
    »Aber warum denn nicht? Du kannst doch sagen, du hast es nicht gewagt, über die Serpentine zurückzufahren. Es wird wirklich früh dunkel, du kannst von hier

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