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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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konnte es da geben?
    Katja war schon mit zwanzig für die Rolle einer kleinen Geliebten zu klug und zu kompliziert gewesen. Aber etwas anderes konnte er ihr nicht anbieten. Und so hatte er es vorgezogen, mit etwas Einfacherem vorliebzunehmen – mit der Masseurin Sweta.
    Die fünf stürmischen Jahre, die er mit Sweta und ihren verschiedenen Freundinnen verbracht hatte, waren wie im Rausch verflogen und vergessen. Wenn er ehrlich war, hatte er auch keine große Lust, sich genauer daran zu erinnern. Nicht, weil es ihm peinlich gewesen wäre, aber in diesemganzen ausgelassenen Wirbel gab es nichts, woran er sich hätte festhalten können, alles vermischte sich zu einem formlosen, feuchten, kichernden Klumpen nackter Körper. In der Sauna waberte heiße Luft, das Wasser im Bassin gluckerte widerlich und fast schon obszön, und der süßliche Geruch nach französischem Kognak, Schweiß und fettigem Make-up stand im Raum.
    Aber vor allem drängte sich ihm mit Übelkeit erregender Deutlichkeit ein Bild auf: die dicke, schlampig aussehende Frau auf seinem Küchenhocker, mit aufgeknöpfter Bluse, ihre weiße, nackte, schwere Brust, noch lebendig, aber von der Verwesung schon berührt.
    Er hatte sich damals wie ein Schwein benommen, hatte sie weggejagt, ihr kein Geld gegeben und auch seinen Bekannten, den Chirurgen im Onkologischen Zentrum, nicht angerufen, obwohl er es versprochen hatte. Er hatte Angst bekommen – womöglich verfiel der Chirurg später auf die Idee, ihm das Ergebnis der Operation mitzuteilen und vom Zustand der Patientin zu berichten. Oder er könnte sich bei einem Gespräch in lockerer Runde plötzlich verplappern und erzählen, daß Jegor Barinow ihn wegen irgendeiner Sweta Petrowa angerufen hätte. Sweta Petrowa? Wer ist das? Was hat sie mit Jegor Barinow zu tun? Ach, eine Masseurin? Aha, diese Masseurinnen kennen wir.
    Barinow kroch aus dem Bett, ging fröstelnd in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm eine Packung Milch heraus. Warme Milch mit Honig wirkt beruhigend wie ein Schlafmittel. Während die Milch in der Mikrowelle erhitzt wurde, versuchte er mit all seiner Willenskraft die unangenehmen Erinnerungen aus seinem Kopf zu vertreiben und andere zu wecken – zarte, romantische.
    Es hatte ja auch das gegeben: herbstliche Wälder auf dem Lande, dünnbeinige wilde Fohlen, Sirtaki-Klänge, eine biegsame, fliegende zierliche Gestalt, zarte Finger, schokoladenbrauneAugen. Nur diese idiotische Neujahrsnacht störte das Bild.
    Die Mikrowelle klingelte, die Milch war heiß. Er trank sie mit vorsichtigen kleinen Schlucken.
    Die alte, fast schon vergessene Beziehung zu Katja Orlowa hatte vor nicht allzulanger Zeit eine kurze, unerwartete und völlig einseitige Fortsetzung gefunden.
    Im vergangenen Winter hatte er sich außer der Reihe eine Erholungspause auf Teneriffa gegönnt. Dort gibt es hoch in den Bergen, über den Wolken, am Krater eines erloschenen Vulkans ein einsames Gasthaus, wo kaum jemand wohnt. Zu dem Krater führt eine gefährliche Serpentine, selbst neugierige Touristen verirren sich selten dorthin. Es gibt dort nur das Gasthaus und eine verlassene lutheranische Kirche. Ringsum keine Menschenseele, nur Himmel, reine Bergluft, ewiger Frühling und eine solche Schönheit, daß es einem den Atem nimmt.
    Barinow träumte schon lange davon, dort ein paar Tage zu verbringen, und als er merkte, daß er nervlich angeschlagen war, beschloß er, sich mit Schönheit und völliger Einsamkeit zu kurieren.
    Er war so müde, daß er niemanden mitnehmen wollte. Er kaufte sich ein Ticket, setzte sich ins Flugzeug, mietete sich dann auf dem Flughafen einen Wagen und fuhr zum Pico del Teide empor, dreitausendsiebenhundert Meter über dem Meeresspiegel.
    Die Strecke war schwierig und gefährlich. Die verschlafenen spanischen Dörfer mit ihren menschenleeren, kopfsteingepflasterten Gassen und den herrenlosen Fahrrädern vor den winzigen Bars wurden immer seltener, die Serpentine stieg immer steiler an, wurde ganz schmal und verlief in so scharfem Zickzack, daß es ihm flau im Magen wurde. Dichter Nebel hüllte den Wagen mit milchweißen Schwaden ein, bei jeder scharfen Wendung stockte ihm einen Moment das Herz, im Bewußtsein, wie schrecklich hochüber dem Erdboden er sich in völliger Einsamkeit bewegte. Tief unten waren das Meer, das bunte Urlaubstreiben und die kleinen Würfel der Hotels zurückgeblieben.
    Über den Wolken schien die Sonne, der Weg führte durch einen Buchenwald. Die dreihundert Jahre

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