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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Pianisten, der leise Improvisationen auf alte russische Romanzen spielt. Es ist gemütlich, ruhig, das Essen schmeckt, und vor allemist es weder teuer noch gefährlich. Es sind Orte für Kenner, für Liebhaber der guten Küche, die sich einfach nur entspannen wollen, ohne mit Hundertdollarscheinen um sich werfen und sich in Szene setzen zu müssen.
    Was Olga Guskowa als Hof bezeichnet hatte, entpuppte sich als ein kleiner Platz vor dem Eingang zur Bar. Auf beiden Seiten standen unter mickrigen Pappeln Bänke. Sitzen konnte man nur auf einer, von den anderen dreien waren nur die Rückenlehnen geblieben.
    Die beiden Kellner, der Barmixer, der Oberkellner, der Türsteher – alle, denen der Major das Foto von Olga Guskowa zeigte, versicherten einstimmig, sie hätten dieses Mädchen noch nie gesehen.
    »An eine solche Schönheit würde ich mich bestimmt erinnern«, sagte der kecke junge Türsteher, »wann, sagen Sie, soll sie auf der Bank gesessen haben? Am vierten? Nein, hab ich nicht gesehen.«
    »Du hast ja am vierten auch gar nicht gearbeitet«, mischte sich die Putzfrau ein, eine kräftige, noch jugendlich wirkende Frau um die sechzig. »Lassen Sie mich mal sehen.« Sie nahm dem Major das Farbfoto aus der Hand und betrachtete es lange und aufmerksam. »Ein schönes Mädchen, wie auf einer Postkarte. Ich glaube«, – sie überlegte eine Weile –, »ich habe sie gesehen. Bestimmt sogar. Nur wann das war – das weiß ich nicht mehr.«
    »Haben Sie am vierten abends gearbeitet?« fragte Kusmenko.
    »Ja.«
    »Bis wann?«
    »Also, gewöhnlich komme ich zweimal, um elf Uhr vormittags, bevor aufgemacht wird, wir machen um eins auf, und dann noch mal abends gegen zehn. Tagsüber mache ich in der Bar sauber, und abends sehe ich nach den Toiletten. Schon vor Ladenschluß, vor zwei Uhr. Am vierten … lassen Sie mich überlegen. Was für ein Wochentag war das? Donnerstag?Ja natürlich, da hat Grischa an der Tür gestanden. Es waren nicht viel Leute da, das heißt, es war auch nicht viel zu tun. Die Nacht war warm und trocken. Ich bin ein paarmal auf die Vortreppe gegangen, um zu rauchen. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich stand mit Grischa am Eingang, wir rauchten, und da haben wir dieses Mädchen gesehen.«
    »Um wieviel Uhr?« fragte Kusmenko gespannt. »Bitte versuchen Sie sich zu erinnern, wenigstens annähernd.«
    »Ich hatte keine Uhr um, sprechen Sie lieber mit Grischa. Er wird sich daran besser erinnern als ich«, sagte die Putzfrau.
    »Das werde ich ganz bestimmt tun«, versicherte Kusmenko und dachte, viel wird wohl nicht dabei herauskommen.
    »Wissen Sie, da war ein junger Mann, der hat sich zu ihr gesetzt«, sagte die Putzfrau plötzlich freudig. »Deswegen habe ich es auch nicht vergessen. Das Mädchen war so wunderschön, aber gekleidet war es ganz ärmlich. Grischa hat sie bemerkt und wollte sie schon fortjagen. Er dachte, vielleicht ist das eine Prostituierte, die sich hierher verlaufen hat und Ausschau nach einem Kunden hält. Eine Anfängerin. Aber ich hab gesagt, Warte, Grischa, laß sie in Ruhe. Das ist keine Nutte. Das sieht man sofort, auf den ersten Blick. Wer weiß, vielleicht wartet sie hier auf jemanden? Ja, und dann tauchte dieser junge Bursche auf. Ich sag noch zu Grischa, guck mal, den scheucht sie jetzt weg. Der wird nicht viel Glück bei ihr haben, Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ja«, sagte Kusmenko, »und war es so?«
    »Nein.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Sie hat nicht einmal zu ihm hinübergesehen. Sie saß da so traurig und still, mit einem uralten Rucksack auf den Knien.«
    »Können Sie den jungen Mann beschreiben, der sich zu ihr gesetzt hat?«
    »Was heißt beschreiben, ich kenn ihn ja. Edik, der Wachmann von der Geldwechselstelle. Seine Schicht ist um zwölf zu Ende, manchmal kommt er zu uns zum Essen.«
    Schon heißer, dachte Kusmenko. Wenn dieser Edik um zwölf Uhr Schluß gemacht hat, könnte er kurz nach Mitternacht neben Olga auf der Bank gesessen haben. Der Schuß ist um null Uhr dreißig gefallen. Aber selbst wenn sie erst zehn Minuten vor dem Schuß von hier zur Mestschanskaja losgerannt ist, hatte sie noch genug Zeit.
    Der Major war selber nicht froh über seine Gewissenhaftigkeit. So viel sinnlose Lauferei. Auf die Minute genau würde man die Ereignisse der Nacht doch nicht rekonstruieren können.
    Der Wachmann Edik war an seinem Arbeitsplatz. Grischa wohnte in der Nähe und war zu Hause. Beide erkannten Olga auf der Fotografie und bestätigten die Erzählung

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