Club Kalaschnikow
Angelegenheiten. Und ich möchte nicht kurz vor der Pensionierung noch Ärger mit dem Chefbekommen. Aber andererseits tut mir diese Guskowa leid. Die geht im Krankenhaus zugrunde. Und die Enkelin tut mir auch leid. Womöglich ist das Mädchen ja wirklich unschuldig? Und das ist vielleicht ihre letzte Chance, der rettende Strohhalm … Was rätst du mir, Igor, was soll ich tun?«
Igor hörte ihr nur mit halbem Ohr zu und schielte die ganze Zeit zum Fernseher, der mit ausgeschaltetem Ton lief. In einigen Minuten sollte eine Reportage kommen, die ein Kollege gedreht hatte.
»Warte, Mama, das hab ich nicht verstanden. Was für eine Enkelin? Was für ein Strohhalm?«
»Du hörst mir überhaupt nicht zu«, seufzte seine Mutter.
»Verzeih, Mama. Erzähl noch mal von Anfang an, der Reihe nach.«
»Am Montag ist bei uns eine alte Frau mit Altersschwachsinn eingeliefert worden. Das kann ganz verschiedene Symptome haben, manche Patienten begreifen überhaupt nichts mehr. Aber bei dieser Guskowa ist es nicht die schwere Form, sie kann zusammenhängend reden, halluziniert nicht und kann sich gut orientieren. Alles in allem eine ganz rüstige Oma. Ihre Enkelin ist unter Mordverdacht verhaftet worden. Sie studiert an der Universität Philosophie, ist also weder Alkoholikerin noch drogensüchtig.«
»Woher weißt du, daß es an der philosophischen Fakultät keine Alkoholiker und Drogensüchtigen gibt?« fragte Igor müde.
»Genau weiß ich das natürlich nicht«, gab Valentina zu, »ich nehme es nur an. Wenn ich mir die Oma so ansehe … Verstehst du, sie wohnen zusammen, andere Verwandte gibt es nicht. Und die Oma ist gepflegt, sauber, gut ernährt, so etwas sehe ich auf den ersten Blick. Wenn die Enkelin drogensüchtig wäre, würde sie sich wohl kaum so um die kranke alte Oma kümmern.«
»Ja, vielleicht«, sagte Igor nicht recht überzeugt.
»Diese Guskowa also ist mitten in der Nacht aufgewacht, kam zu mir und hat verlangt, ich solle sofort, auf der Stelle, die Miliz anrufen. Sie sagte, ihr wäre etwas Wichtiges eingefallen, und jetzt müsse man ihre Enkelin freilassen. Es kann natürlich sein, daß sie sich das alles nur ausgedacht hat. Zuerst wollte sie mir nichts erklären, hat den Untersuchungsführer oder irgend jemanden von der Petrowka verlangt. Ich habe sie beruhigt und ihr zugeredet, bis zum Morgen zu warten. Am Morgen kam Gontschar zur Visite, sie hat ihm denselben Sermon erzählt, daß sie den Untersuchungsführer sprechen muß, daß ihre Enkelin unschuldig ist und so weiter. Gontschar hat natürlich gar nicht richtig hingehört. Er hat auch so schon genug am Hals. Noch mehr Pflichten zu übernehmen und ein Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit der Guskowa schreiben, das hätte ihm gerade noch gefehlt. Aber mir läßt die Geschichte einfach keine Ruhe. Ich habe abends, bevor ich gegangen bin, mit der Guskowa gesprochen und sie gebeten, wenigstens mir zu erzählen, was ihr eingefallen ist. Ich hatte Angst, sie könnte es sonst wieder vergessen. Und sie hatte es am Abend auch schon fast wieder vergessen. Sie war ganz matt und schläfrig, weil man ihr Haloperidol mit Aminasin verordnet hatte. Noch ein, zwei Spritzen, und sie hätte von gar nichts mehr gewußt. Ja, und dann hat sie es mir erzählt. Was meinst du, Igor, was soll ich tun?«
»Mama, ich verstehe den Kern der Sache nicht. Wen hat die Enkelin dieser Alten ermordet? Und warum? Und was ist der Alten denn eigentlich eingefallen?« fragte Igor zerstreut, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
»Du verstehst es nicht, weil du mir nicht zuhörst. Ist das ein Film von Smalzew?« Valentina blickte ebenfalls auf den Bildschirm. »Ja, das ist seine Handschrift, das sieht man gleich. Warum guckst du dir so was an, du verdirbst dir nur die Stimmung.«
»Da hast du recht, Mama.« Igor stand auf und schaltete den Fernseher aus. »Also, was ist mit deiner Oma?«
»Die Enkelin steht unter Mordverdacht.« Valentina seufzte tief auf und fing noch einmal von vorne an. »Am Montag ist sie verhaftet worden. Sie hatte ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, und angeblich hat sie ihn erschossen. Bei ihr zu Hause lag eine Pistole, die ihrem Vater gehört hatte, mit eingraviertem Namen. Ihr Vater war bei der Armee, bei den Grenztruppen, und ist in Afghanistan gefallen. Diese Pistole ist das wichtigste Beweisstück. Ihretwegen hat man das Mädchen verhaftet. Aber jetzt erinnert sich die Oma daran, daß ein Fremder in ihrer Wohnung war und die
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