Club Kalaschnikow
und sich heißen Tee aus der Thermoskanne eingegossen, da erblickten sie eine riesige schwarze Dogge, die auf ihren Wagen zulief.
»Sieh dir den an, der reinste Hund von Baskerville«, sagte der eine Leutnant grinsend und biß in sein Schinkenbrot.
Der Hund kam in eleganten, weiten Sprüngen angejagt. Hinter sich her zog er an seiner Leine einen älteren, hageren Jogger in kurzer Hose und T-Shirt.
»Der sollte lieber auf seinem Tier reiten statt zu laufen«, kommentierte der Hauptmann und nahm vorsichtig einen Schluck heißen Tee.
Die Dogge rannte zum Auto und prallte in vollem Lauf mit den Vorderpfoten auf die Windschutzscheibe.
»He, Sportsmann, was soll denn das! Nehmen Sie Ihren Hund weg!« riefen die Milizionäre entrüstet.
»Johnny, sitz!« kommandierte der Jogger, und das riesige Tier gehorchte widerspruchslos.
Aus der Nähe sah man, daß der morgendliche Jogger mindestens sechzig war. Er sah aus wie der klassische Professor – graues Ziegenbärtchen, weißer flaumiger Haarkranz um eine rosige Glatze, erschrockener, zerstreuter Blick.
»Johnny hat auf dem Grundstück eine Leiche entdeckt, in der Baubude!« platzte der Professor heraus, nachdem er zu Atem gekommen war. »Die Leiche einer jungen Frau!«
»Guten Appetit«, knurrte der Hauptmann leise vor sich hin, »das war’s dann wohl mit dem Frühstück.«
Am anderen Ende des Ödlandes, am Waldrand, stand eine verlassene, halbverfallene Baubude. Die Frau lag auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten. Dem Aussehen nach war sie Anfang dreißig. Ihre Kleidung war nicht teuer, aber durchaus ordentlich – ein heller Angorapullover, dunkelblaue Jeans, über dem Pullover eine Jeansjacke, neue Halbschuhe aus Wildleder mit dicken weichen Sohlen. Neben ihr lag eine geöffnete kleine Handtasche aus Kunstleder. Kein teures Stück, aber ebenfalls ganz hübsch.
In der Tasche fanden sich das zerknitterte Papier eines Bounty-Riegels, eine zerdrückte Zigarettenschachtel Marke »Magna« mit vier Zigaretten, ein Wegwerffeuerzeug, eine Haarbürste und ein fast aufgebrauchter leuchtendroter Lippenstift. Keine Papiere, die über die Identität der Frau Aufschluß geben konnten, kein Geld, kein Schmuck, keine Wertgegenstände.
Am Hals zeichnete sich deutlich ein Strangulationsstreifen ab. Aber ein Gegenstand, mit dem sie hätte erdrosselt werden können, war nicht zu finden. Das Gras neben der Baubude war stark zerdrückt, und den Milizionären war gleich klar, daß die Leiche wohl hierhergeschleift worden war. Vielleicht hatte man sie mit dem Auto hergebracht. Ganz in der Nähe verlief eine asphaltierte Straße, zwischen Baustelle und Waldrand.
»Sieht aus wie Raubmord«, bemerkte der Hauptmann. »Ziemlich hoffnungsloser Fall. Der Tod ist vor mindestens zwei Tagen eingetreten. Bis wir die Identität geklärt haben, ist eine Woche vorbei. Ja, wenn es wenigstens eine Moskauerin ist. Aber vielleicht ist sie ja auch von auswärts, eine von diesen fliegenden Händlerinnen zum Beispiel, die an den Feiertagen nach Moskau auf den Markt kommen. Und wegen der Einnahmen hat man sie umgebracht. Vor einem Monat hatten wir schon mal so einen Fall.«
In der Nähe war ein Trödelmarkt, einer der größten und billigsten in Moskau. Er wurde von Händlern aus dem Baltikum,aus Weißrußland und aus Polen betrieben. Die Ermordete konnte von Gott weiß woher kommen. Besondere Kennzeichen hatte sie nicht. Eine Blondine mit kurzem Haar, Größe etwa ein Meter siebzig bis ein Meter fünfundsiebzig, kräftiger Körperbau, kurze, gerade Nase, volle Lippen, kleine, hellbraune Augen. Ein Durchschnittstyp.
»Nein, Kinder, ganz so hoffnungslos ist die Sache nicht.« Die Expertin aus der mittlerweile eingetroffenen Einsatzgruppe schüttelte den Kopf. »Ein besonderes Kennzeichen hat sie: eine Brust ist ihr entfernt worden, die rechte.«
»O mein Gott!« Der Kripobeamte verdrehte die Augen zum Himmel. »Ein perverser Sexualmörder, das hat uns hier gerade noch gefehlt!«
»Nein, kein Perverser«, beruhigte ihn die Expertin. »Es ist eine normale Operationsnaht, die Brust ist vom Chirurgen entfernt worden, sie hat eine Prothese.«
***
Katja saß bei Pawel im halbleeren Wohnzimmer, in dem einzigen stabilen Sessel, mit hochgezogenen Beinen und in eine weite Strickjacke gehüllt. Über den Monitor des Computers schwammen bunte Fischchen. Es duftete nach starkem Kaffee mit Nelken.
Pawel hatte sie am Morgen nach der Beerdigung angerufen. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn sehen wollte, aber
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