Club Kalaschnikow
kann alles vergessen, man hat ihr bereits Psychopharmaka gespritzt. Und für das Mädchen ist es vielleicht die letzte Chance. Sicher hat man schwerwiegende Beweise, wenn man sie bereits als tatverdächtig festgenommen hat, normalerweise braucht man doch nur zu unterschreiben, daß man am Ort bleibt.«
»Wenn wir diese Superstory sofort an die Bullen weitergeben, bringt das auch nichts. Die lassen uns nicht mehr in die Nähe der Alten. Laß uns zuerst unseren Film drehen, und danach …«
»Nein, hab ich gesagt! Wenn du mir nicht helfen willst, dann laß es bleiben. Ich komme auch allein klar.«
»Dir helfen?« lachte Artjom nervös auf. »Dir persönlich kann das doch scheißegal sein. Was hast du davon? Verstehst du denn nicht, daraus können wir einen solchen Knaller machen, einen solchen …«
»Nein, das verstehe ich nicht. Man wird das Mädchen verurteilen, und die Oma wird im Krankenhaus verfaulen.«
»Na und, was geht’s dich an? Du hast weder diese Olga noch ihre Oma jemals gesehen, die sind doch völlig bedeutungslos für dich. Begreif doch, du Holzkopf, die Alte ist verrückt, ihre Aussagen sind einen Dreck wert. Du wirst mit deinem lächerlichen Pfadfinder-Enthusiasmus nicht die Bohne erreichen, aber mir drehst du den Sauerstoff ab. Ich habe schon so viel Zeit in diese Sache investiert … Nebenbei bemerkt, wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich aus diesem Penner bestimmt noch einiges herausgequetscht und auch die Orlowa noch erwischt. Ich hätte eben doch Smalzew mitnehmen sollen! Wenn man sich mit dir einläßt …«
»Dann arbeite doch mit deinem Smalzew«, entgegnete Igor schroff, »mir steht dieser ganze Mist bis hier.«
Er warf den Hörer auf, fluchte laut, steckte sich eine Zigarette an. Er wußte, morgen würde es ihm schon leid tun, daß er sich mit Artjom verkracht hatte. Für Edelmut bekommt man nichts, und von irgendwas mußte er leben.
Nervös blätterte er in seinem Notizblock. Er hatte im Pressezentrum des Innenministeriums Bekannte. Außer Kopfschmerzen und Peinlichkeiten würde ihm das alles nichts bringen. Schlimmer noch, es bedeutete für ihn sogar einen gewissen materiellen Verlust. Wäre er auf Artjoms Vorschlag eingegangen, so hätte er von ihm das übliche Tageshonorar für einen Kameramann erhalten, zweihundert Dollar. Keine schwindelerregende Summe, aber er hätte das Geld gut gebrauchen können.
Als er endlich einen seiner Bekannten erreicht hatte, hielt sich Igor gar nicht erst lange mit Erklärungen auf, sondern fragte direkt, wie er sich mit einem der Ermittler im Mordfall Kalaschnikow in Verbindung setzen könne.
»Entschuldige, Igor, da kann ich dir überhaupt nicht helfen«, sagte sein alter Bekannter, »und ehrlich gesagt rate ich dir, mit einer derartigen Bitte auch niemandem sonst auf die Pelle zu rücken. Um den Fall Kalaschnikow kümmert sich nämlich General Ufimzew höchstpersönlich, und das ist ein ganz scharfer Hund. Und eure Branche, Fernsehen und Presse, kontrolliert er besonders genau. Besser, ihr mischt euch nicht ein, laßt die Familie in Ruhe und lungert ihnen nicht ständig unter den Füßen herum. Ich sage dir das aus alter Freundschaft.«
»Serjosha, du hast mich nicht verstanden«, erwiderte Igor ruhig. »Ich selber habe eine Information für die Ermittler. Genau genommen gar nicht ich, sondern meine Mutter, die mit dem Fernsehen nichts zu tun hat, sie ist Krankenschwester. Ich könnte auch den offiziellen Weg gehen, aber das dauert mehrere Tage, und jede Stunde ist kostbar. Jetzt ist es schon spät, niemand ist mehr im Büro. Wenn ich erst umständlich allen möglichen Telefondämchen erklären muß, was, wozu und warum, verliert meine Information jeden Sinn. Einer der Ermittler muß gleich morgen früh ins Gannuschkin-Institut fahren und dort mit einer Patientin sprechen. Ich brauche gar keine Namen oder Telefonnummern. Setz dich selber mit einem der Verantwortlichen in Verbindung und richte ihm das aus. Du kannst ihm auch meine Telefonnummer geben, wenn ihn Einzelheiten interessieren.«
»Na schön, wie heißt die Patientin denn?«
»Guskowa, Iwetta Tichonowna.«
Kapitel 22
Morgens um sechs Uhr zehn stoppte im Vorort Konkowo, weit weg von der gleichnamigen Metrostation, ein Patrouillenwagen der Miliz neben einer verlassenen Baustelle. Es war schon hell geworden. Ringsum war keine Menschenseele. Der Hauptmann und die beiden Leutnants wollten ungestört und in aller Ruhe frühstücken. Doch kaum hatten sie ihre Butterbrote ausgepackt
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