Club Kalaschnikow
soll ich dir bringen, Wasser oder Saft? Oder soll ich vielleicht Tee aufsetzen?«
»Nur Wasser, kaltes Mineralwasser.«
Er kam mit einem Glas in der Hand zurück. Margarita weinte schon nicht mehr so heftig. In ihren Augen standen noch Tränen, aber das schreckliche, krampfhafte Schluchzen, das einem das Herz zerriß, hatte aufgehört. Sie saß mit hochgezogenen Beinen auf dem Sofa, in einen warmen Frotteemantel gehüllt.
»Weiß man denn genau, daß es Olga war? Was hat der General dir gesagt?« fragte sie, nachdem sie das Mineralwasser in einem Zug ausgetrunken hatte.
»Ja, Kleines, es ist alles offensichtlich. Man hat diePistole, mit der er erschossen wurde, bei ihr gefunden, und es gibt auch noch andere Beweise. Die Einzelheiten will Ufimzew mir persönlich mitteilen.«
»Olga hatte eine Pistole?! Wie entsetzlich. Wenn ich das gewußt hätte!« Sie schluchzte auf, und Konstantin Iwanowitsch bekam Angst, sie würde gleich wieder in heftiges Weinen ausbrechen.
»Aber was hättest du denn tun können? Du darfst dich nicht so aufregen, Kleines. Mir wird ja richtig bange um dich und um deine Nerven.«
»Wann ist sie denn verhaftet worden?«
»Montag früh.«
»Montag?!« Margarita fuhr heftig zusammen und erblaßte.
Kalaschnikow bemerkte, daß ihre Tränen augenblicklich versiegten.
»Warum bist du so erschrocken?« fragte er erstaunt.
»Nein, ich bin nicht erschrocken, nur …« Sie lehnte sich kraftlos im Sessel zurück. »Also, ich weiß gar nicht recht, wie ich es dir erklären soll. Sie ist am Tag der Beerdigung verhaftet worden. Da kann einem schon unheimlich werden. Olga hat ja einen Hang zum Mystischen, sie ist überhaupt ein sehr seltsamer und im Grunde genommen zutiefst unglücklicher Mensch. Sie hat nur ihre verrückte Oma, niemanden sonst.«
»Was heißt hier unglücklicher Mensch«, sagte Kalaschnikow mit bitterem Lächeln. »Sie hat meinen Jungen abgeknallt wie ein Profikiller. Tut sie dir etwa leid?«
»Ich kann das alles noch gar nicht richtig begreifen«, gestand Margarita leise. »Weiß es Katja schon? Hat man sie informiert?«
»Ich habe keine Ahnung. Darüber habe ich mit dem General nicht gesprochen. Übrigens, du hast sie doch gestern angerufen?«
»Ja, ich habe ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.«
»Seltsam, daß sie noch nicht zurückgerufen hat. Und seltsam, daß sie jetzt nicht zu Hause ist.«
»Na, sie wird wohl genug um die Ohren haben.« Margarita zuckte die Achseln. »Und sie hat ja auch ihr Privatleben.«
»Eben das fürchte ich«, sagte Kalaschnikow leise und nachdenklich, »ich fürchte, jemand könnte sie noch beeinflussen.«
»Das mußt du mir genauer erklären.«
»Wenn ich es mir doch selbst richtig erklären könnte … Es ist nur so ein beunruhigendes Gefühl. Es gibt ja kein Testament, und es geht um enorme Summen, da kann es alle möglichen Überraschungen geben.«
»Aber auf jeden Fall kommen doch zu deinem Anteil noch zwei Drittel hinzu. Das sind sechzig Prozent. Damit gehört das Casino praktisch dir. Du kennst Katja doch, du hast selber gesagt, sie hat genug Verstand, zu begreifen, daß sie sich mit uns besser nicht anlegt, wenn sie ihr Theater behalten will. Bei sechzig Prozent ist das Theater in deiner Hand.« Margarita streichelte ihm über die Wange. »Da brauchst du dich nicht schon im voraus aufzuregen. Wir haben ja noch gar nicht mit ihr gesprochen.«
»Und Lunjok?« sagte Kalaschnikow kaum hörbar.
»Was soll mit Lunjok sein? Für ihn macht das keinen Unterschied, sein Anteil bleibt sowieso gleich. Ich ruf noch mal bei ihr an, vielleicht ist sie ja inzwischen nach Hause gekommen.«
Margarita nahm das Telefon vom Couchtisch. Fast sofort, schon nach wenigen Klingelzeichen, meldete sich Katja.
»Gott sei Dank«, flötete Margarita ins Telefon. »Wir sind in zehn Minuten bei dir. Sollen wir dir von unterwegs etwas mitbringen? Gut, wie du meinst.«
Sie drückte auf den Knopf, lief dann ins Bad, schaltete den Fön ein und trocknete ihre nassen Haare. Dabei pfiffsie ein munteres Lied vor sich hin. Kalaschnikow wunderte sich, wie schnell die bitteren Tränen vergessen waren. Das war wieder seine Margarita, wie er sie kannte und liebte – sorglos, energisch, lebenslustig.
***
Artjom Siwolap war nervös und erbost. Er hatte schon zu viel Zeit und Kraft auf diese verlockende, verworrene Sache verwandt, um sie jetzt einfach fallenzulassen.
Nach dem Telefonat mit Igor Kornejew war er am nächsten Morgen ins
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