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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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müssen, schrie die Oma schon wieder und verlangte irgend etwas.
    »Bin ich meiner einzigen Enkelin, für die ich mich meinLeben lang aufgeopfert habe, schon völlig egal? Was hast du für eine Jacke an? Hast du dir eine neue Jacke gekauft? Von welchem Geld? Für den Fruchtsaft, den ich für meine Gesundheit unbedingt brauche, reicht das Geld angeblich nicht, aber dich sehe ich dauernd in neuen Sachen.«
    Olga hatte eine alte, graugelb karierte Flanelljacke an, die schon ganz verwaschen war. Diese Jacke trug sie schon rund drei Jahre lang zu Hause.
    »Oma, es ist schon spät. Ich möchte schlafen. Sag mir bitte, was du brauchst, und laß mich dann ins Bett gehen.«
    »Nichts.« Oma Iwetta drehte sich zur Wand. »Ich brauche nichts von dir.«
    »Gut«, sagte Olga, »dann gehe ich jetzt schlafen.«
    »Natürlich, geh du nur schlafen. Ich kann ja ruhig sterben. Ich möchte trinken, aber meiner einzigen Enkelin fällt es zu schwer, mir Wasser zu bringen.«
    Olga ging, ohne ein Wort zu sagen, in die Küche und kam mit einem Glas Wasser zurück.
    Oma Iwetta richtete sich auf ihrem Kissenberg auf, nahm das Glas und hielt es prüfend gegen das Licht.
    »Was ist das?« fragte sie schließlich, und in ihrer Stimme schwang ein hysterischer Unterton.
    »Wasser.«
    »Und was hast du da noch hineingetan?«
    »Oma, ich habe nichts hineingetan. Das ist pures, abgekochtes Wasser aus dem Teekessel.«
    Sie nahm ihr das Glas aus der Hand und trank einen Schluck.
    »Tee zu machen war dir wohl zu lästig? Oder willst du mich jetzt auf Wasser und Brot setzen, um mich schneller loszuwerden?«
    »Wenn du Tee möchtest, mache ich dir sofort welchen.«
    »Nein, Olga. Ich will gar nichts mehr. Geh.«
    Oma Iwetta preßte vielsagend ihre dünnen Lippenzusammen und drehte sich wieder zur Wand. Olga stellte das Glas auf den Nachttisch und ging hinaus.
    In der kleinen Küche herrschte eine furchtbare Unordnung. Das abblätternde Waschbecken war bis zum Rand mit schmutzigem Geschirr gefüllt, das rissige Linoleum hatte schwarze Streifen, die sich nicht mehr abwaschen ließen. Auf dem winzigen Tisch mit der schartigen gelblichen Plastikplatte häuften sich Zeitungen. Daneben stand ein zerbeulter Aluminiumtopf mit fettigen Suppenresten und eine Pfanne mit angebranntem Rührei. Es sah aus, als würde die Oma den ganzen Tag, wenn Olga nicht da war, essen und Zeitung lesen. Trotzdem begrüßte sie ihre Enkelin jedesmal mit den Worten:
    »Wo warst du? Ich bin vor Hunger fast gestorben. Seit heute morgen habe ich keinen Krümel gegessen.«
    Die Psychiaterin hatte gesagt, die unersättliche Eßgier sei charakteristisch für Altersschwachsinn. Man dürfe ihr das nicht durchgehen lassen.
    »Verziehen Sie sie nicht. Wenn diese Form von hysterischer Psychopathie in Verbindung mit dementia senilis sich ungehemmt entwickelt, verwandelt Ihre Großmutter sich sehr bald in ein Ungeheuer; sie wird nicht nur Ihre Nerven ruinieren, sie wird auch zu einer realen Gefahr.«
    Leicht gesagt – verziehen Sie sie nicht. Olga brauchte nur ein wenig die Stimme zu heben, zu widersprechen oder nicht auf den ersten Ruf hin angelaufen zu kommen, dann begann die Oma schon zu schreien und zu toben wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier. Manchmal rannte sie in Pantoffeln und Morgenmantel auf den Hof hinaus.
    »Meine Enkelin bringt mich noch ins Grab! Sie gibt mir nichts zu essen, sie verhöhnt mich!« Ihre markerschütternde Stimme schallte über den ganzen Hof.
    Dort draußen saßen den lieben langen Tag ebensolche »verhöhnten« alten Frauen, die dann schlagartig munter wurden und mit Vergnügen alle undankbaren Enkelinnen,Töchter und Schwiegertöchter im allgemeinen und Olga Guskowa im besonderen verfluchten. Danach klingelte gewöhnlich irgendeine Wohltäterin an der Tür.
    »Hier, ich bringe etwas Brot für Ihre Oma. Sie geben der Armen ja nichts zu essen.«
    Meist jagte Olga die Wohltäterin samt ihrem Brot davon, aber manchmal fehlte ihr die Kraft dazu. Dann ging sie schweigend in die Küche und saß dort, während Oma Iwetta der Besucherin lautstark von allen Schrecken ihres Zusammenlebens mit der furchtbaren Enkelin erzählte.
    Überhaupt hatte Olga immer weniger Kraft. Die Oma aber wurde immer rüstiger und energischer, je mehr ihr Verstand nachließ.
    Als Olga sich an die Geschirrberge machte, entdeckte sie zu ihrem Ärger, daß kein Spülmittel mehr da war und sie sich mit einem stinkenden, glitschigen Stück Haushaltsseife begnügen mußte. Sie seifte mechanisch

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