Club Kalaschnikow
nicht … ich will nicht …«
Da verschloß er ihr mit seiner heißen feuchten Hand den Mund.
»Er darf und ich nicht?«
Katja spürte nichts außer Müdigkeit und Mitleid – mit sich, mit Gleb, mit ihrem wirren, sinnlosen Zusammenleben, in dem es natürlich auch Liebe gab, aber eine grobe, dumme Form von Liebe. Gleb spielte ständig den Verführer und Playboy, mußte sich ununterbrochen selbst bestätigen. Aber sein Draufgängertum war eine fadenscheinige Hülle. An allen Ecken und Enden sah das schmutzige, zerrissene Futter heraus – der unsichere kleine Junge, das launische Kind.
Damals, vor drei Monaten, hätte sie Gleb genau wie jetzt seinem Vater am Telefon sagen können: Es war nichts. Zwischen mir und Pawel Dubrowin ist in jener Nacht nicht das Geringste vorgefallen. Wir haben nur zusammengesessen und uns unterhalten. Aber warum sollte sie sich eigentlich rechtfertigen? Warum?
Kapitel 11
Die Sohlen der Winterstiefel lösten sich allmählich ab. Einmal durch den Novembermatsch von zu Hause bis zur Metro, und die Füße waren völlig durchnäßt. Der November hatte gerade erst begonnen, aber es schneite schon in dichten Flocken, die sofort tauten und sich unter den Füßen in eine eisige Suppe verwandelten.
Margarita fror erbärmlich. Vom Wind tränten ihr die Augen, die billige Tusche floß von den Wimpern. Durch die alte, zerschlissene Jacke spürte Margarita den eisigen Wind mit jeder Pore. Unter dem dünnen Pullover, der aus alter, verschiedenfarbiger Wolle gestrickt war, bekam sie eine Gänsehaut, die Brustwarzen zogen sich zusammen. Sie sehnte sich nicht einfach nach Wärme, sie wünschte sich ein richtiges Höllenfeuer, ein Dampfbad, eine glühendheiße Sauna, wo der Dampf sie verbrannte und bis auf die Knochen durchscheuerte.
In der Metro herrschte Gedränge. Margarita sprang in den überfüllten Wagen, zwängte sich durch und versuchte sich zu entspannen, aufzuwärmen und wieder zu sich zu kommen. Sie war wieder mal spät dran und deshalb im Galopp zur Metro gerannt.
Der Zug setzte sich in Bewegung, in der schwarzen Fensterscheibe erblickte Margarita ihr Spiegelbild und stellte wie immer fest, daß von allen Gesichtern, die sich ringsum spiegelten, ihres das schönste war.
Der harte Bauch des Mannes rechts von ihr und der wabbelige Hintern der Frau links quetschten sie derart ein, daß sie sich kaum rühren konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, den Arm auszustrecken, um eine aus der Strickmütze gerutschte Locke zurückzuschieben. Der Mann hatte ein rundes Bärtchen und eine dicke, grobporige Nase. Die Frau stank nach Schweiß und Friseur. Ihr Haar war zu steifen gelben Kringeln gelegt, am Hals standen ein paar schwarzeSträhnen ab, die wohl nicht mehr auf die Lockenwickler gepaßt hatten.
Wie kann man nur mit einem solchen Aussehen leben? dachte Margarita und drehte die Nase vom fleischigen Hals der Frau weg. Sie futtert wahrscheinlich alles, von Makkaroni bis zu Cremetörtchen, verzichtet auf nichts und schaut trotzdem jeden Tag zufrieden in den Spiegel, färbt sich die Haare und läßt sich eine Dauerwelle machen. Ich würde mich aus dem Fenster stürzen, wenn ich so aussähe.
Die Frau wandte den Kopf, in ihrem dicken Ohr funkelte ein Brillant von mindestens 0,25 Karat. Es war ein echter Stein, von hoher Reinheit, nicht irgendein Phianit oder Zirkon. Damit kannte Margarita sich bestens aus.
Eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen bestand darin, in Juweliergeschäfte zu gehen und ausgiebig und detailliert die teuersten Schmuckstücke zu begutachten. Manchmal wandte sie sich mit geschäftsmäßig-skeptischer Miene an die Verkäuferin: Entschuldigung, dürfte ich diesen Ring mal probieren? Ach, Ohrringe gehören auch noch dazu? Natürlich, die probiere ich auch. Ja, sehr schön. Wie viel Karat? 0,14 in jedem Stein? Und welcher Reinheitsgrad? 3? Haben Sie vielleicht noch etwas in dieser Art, aber ohne Blütenblatt? Nein? Schade.
Sie hätte weinen können vor Selbstmitleid, wenn jemand vor ihren Augen solchen Schmuck kaufte, ob nun mit Blütenblättern oder ohne. Eifersüchtig folgte ihr Blick jeder glücklichen Besitzerin echter Edelsteine. Zu ihren strahlend grünen Augen hätten große Smaragde so gut gepaßt. Der Smaragd war ihr Stein, er brachte Glück. Der Brillant dagegen schützte vor Krankheiten und bösem Zauber. Besonders kränkend fand sie es, wenn die Steine an den Fingern und in den Ohren dicker häßlicher Weiber funkelten.
Der Zug fuhr ans Tageslicht, zum »Platz der
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