Club Kalaschnikow
Revolution«. Das Brillantenweib bahnte Margarita beherzt einen Weg zum Ausgang. Was hatte dieser Panzer mit dem dickenHintern für einen Pelzmantel! Kakaofarbener Nerz, mit einem Schuß Milch, fast bodenlang. Und ganze Felle, keine zusammengeflickte türkische Massenware.
Jemand in der trägen, groben Menge trat ihr auf die Ferse. So, jetzt sind die Stiefel endgültig hinüber, dachte Margarita ruhig, drängelte sich zum Rand der Halle durch und nahm, auf das kalte Knie einer bronzenen Kolchosbäuerin gestützt, die abgerissene Schuhsohle in Augenschein. Tatsächlich, die war hin. Bis zum Institut konnte sie damit noch humpeln, aber dann? Sie könnte sich Geld leihen. Aber wovon sollte sie es zurückzahlen? Von ihrem Stipendium? Lächerlich.
»Du brauchst nicht nur Stiefel, es wäre auch nicht schlecht, wenn du dir eine neue Hose und einen Pullover kaufen würdest«, brummte die Maskenbildnerin Sweta.
Sie standen zusammen im leeren Raucherzimmer. Sweta hatte die Angewohnheit, das rechte Auge zusammenzukneifen und dabei Rauchschwaden aus den Nasenlöchern zu blasen.
»Eine merkwürdige Person bist du, Krestowskaja. So ein bildhübsches Ding und gar nicht blöd, aber angezogen wie die letzte Vogelscheuche. Glaub mir, mein Herz, zerrissene Jeans und selbstgestrickte Pullover sind heutzutage total out. Übrigens stehen sie dir auch gar nicht.« Sweta musterte Margarita mit spöttischem, abschätzigem Blick von Kopf bis Fuß.
»Das ist eben mein Stil.« Margarita warf den Kopf zurück und schüttelte ihre dichten roten Haare.
»Stiefel ohne Sohlen gehören auch zu deinem Stil?« fragte Sweta hart und ohne zu lächeln.
Margarita bereute es, sich an Sweta gewandt zu haben. Sie hätte viele um Geld bitten können, aber ein Paar gute Stiefel kosteten mindestens dreihundert Rubel. Soviel Geld hatte niemand bei sich. Und sie mußte noch heute neue kaufen.
Sie überschlug bereits in Gedanken, daß sie etwa zwei Monate brauchen würde, um das Geld ratenweise zurückzuzahlen. Einen Teil würde sie beim Vater herausschlagen, ein bißchen würden Oma und Opa beisteuern, und das Stipendium war ja auch noch da. Zwei Monate würden ausreichen. Aber in diesen zwei Monaten mußte sie etwas an den Füßen haben. Und für Sweta war eine solche Summe ein Klacks.
Der Lohn einer Maskenbildnerin war nur wenig höher als das Stipendium einer Studentin. Im Theater und am Institut wußte man, daß Sweta eine Ausbildung als Masseurin gemacht hatte und sich etwas hinzuverdiente, indem sie alternden Schauspielern und Schauspielerinnen die steifen Rücken durchwalkte. Aber allzuviel konnte dabei auch nicht herausspringen. Doch allein der Rock aus grauem Glacéleder, der Swetas straffe Hüften umspannte, kostete ungefähr zehn Monatsstipendien. Und auch die übrigen Sachen – Stiefel, Polarfuchs, Ohrclips, Ringe, exquisites Parfum – deuteten auf eine Menge Geld.
Sweta war zehn Jahre älter als Margarita, hochgewachsen, füllig, mit großem Busen. Das glatte, hellblonde, nicht sehr dicke, aber glänzende und gepflegte Haar war zu einem geraden Pagenkopf geschnitten. Die Gesichtszüge waren eher grob und nichtssagend. Eine dicke flache Nase, ein etwas aufgedunsenes Kinn, das fließend in den milchweißen vollen Hals überging. Nur den Mund konnte man als schön bezeichnen – sinnlich, weich und beweglich, führte er gewissermaßen ein Eigenleben, lächelte und entblößte dabei kleine, gleichmäßige weiße Zähne, schob sich ein wenig nach vorn, um den Zigarettenrauch herauszublasen, oder verzog sich zu einer spöttischen, ungläubigen Grimasse. Margarita hatte schon lange bemerkt, daß man Sweta beim Gespräch unwillkürlich nicht in die kleinen hellbraunen Augen schaute, sondern auf den Mund.
»Ich geb’s dir in einem Monat zurück. Oder allerhöchstens in zwei«, sagte Margarita schnell.
»Natürlich, mein Herz, das tust du.« Die vollen Lippen lächelten weich. »Mach dir keinen Streß. Hier hast du fünfhundert.« Der Verschluß der eleganten teuren Handtasche klackte, eine Geldbörse kam zum Vorschein, eine gepflegte weiße Hand hielt Margarita die Scheine hin.
»Sweta, hab Dank, das werde ich dir nie vergessen!« Margarita strahlte und küßte die Maskenbildnerin auf die Wange, besann sich dann aber plötzlich: »Fünfhundert sind zu viel, ich brauche bloß dreihundert.«
»Schon gut, Häschen, markier nicht das arme Aschenputtel. Du brauchst noch viel mehr.« Sweta blinzelte ihr fröhlich zu. »Einfach so gibt dir das
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