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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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duftenden Hand und preßte sie an seine Lippen.
    Margarita drehte sich einmal vor dem großen Schlafzimmerspiegel auf dem Absatz herum, betrachtete sich voller Genugtuung von oben bis unten, schüttelte ihre offenen feuerroten Haare und sauste davon. Im Schlafzimmer blieb nur der Duft ihres Parfums zurück, irgendein neumodischer, unbekannter Duft. Margarita liebte Parfum und wechselte es ständig. Dieses neue roch nach intensiver Frische, Jugend und feuchtem Klee.
    Ächzend und schwer hustend kroch Kalaschnikow unter der Bettdecke hervor und stellte sich vor den großen Spiegel. Das trübe Morgenlicht hob die Tränensäcke unter seinen Augen besonders schonungslos hervor, die ungesunde Aufgedunsenheit, die sich in der letzten Zeit nach dem Schlaf zeigte. Das Alter war eine widerliche Sache. Den mit grauer Wolle bewachsenen Bauch konnte man noch straffen, wenn man regelmäßig Gymnastik machte, die fett gewordenen schlaffen Schultern aufrichten, wenn man tief Luft holte. Aber mit jedem Tag wurde es schwerer, sich in Form zu halten.
    Kalaschnikow sah seinem Spiegelbild in die Augen und schämte sich plötzlich. Was für alberne Gedanken! Sein einziger Sohn war ermordet worden und lag noch nicht unter der Erde, Nadja hatte gefährlichen Bluthochdruck, und er drehte sich vor dem Spiegel, der alte Narr, und sog gierig den Duft von Margaritas Parfum ein.
    Für einen Besuch bei Nadja, der Mutter seines einzigen Sohnes, hatte er nun doch keine Zeit mehr gefunden. Übermorgen war die Beerdigung, dann würde er sie treffen müssen, ausweichen konnte er nicht. Er würde mit ihr reden und ihr in die Augen sehen müssen.
    Kalaschnikow zog fröstelnd die Schultern hoch und ging in die Dusche. Erst heißes Wasser, dann fast kochend, dann eiskalt. Und das mehrere Male hintereinander – eine ausgezeichnete Gymnastik für die Gefäße. Nach so einer Kontrastdusche fühlt man sich zehn Jahre jünger, die Haut wirdfrisch und rosig, man ist nicht mehr so verquollen und betrachtet sich gern wieder im Spiegel.
    Als er sich Kaffee eingoß, läutete das Telefon. Am Apparat war zu seiner Überraschung der Geschäftsführer des Filmstudios.
    »Konstantin Iwanowitsch, richten Sie Margarita doch bitte aus, daß die Dreharbeiten nicht um zwölf, sondern um halb zwei beginnen.«
    »Ich werde es ihr sagen«, erwiderte er munter und fügte noch hinzu: »Sie schläft noch.«
    Er legte den Hörer auf, nahm einen großen Schluck aus der Tasse, verschluckte sich und mußte husten. Der Kaffee war heiß und hatte ihm die Kehle verbrannt, Tränen traten ihm in die Augen. Er konnte gar nicht aufhören zu husten. Einen Moment spürte er schreckliche Angst. So war sein Vater gestorben – er hatte sich verschluckt, ein Stück Brot war ihm in die Luftröhre gerutscht, und niemand war bei ihm gewesen.
    Aber der Husten ließ nach. Kalaschnikow holte tief Luft, nahm aus dem Kühlschrank eine Packung Orangensaft und goß sich ein volles Glas ein. Von dem eiskalten Getränk wurde ihm besser.
    Nein, sagte er sich, ich werde mich nicht verrückt machen. Bestimmt hat sie irgendwelchen Weiberkram zu erledigen, Friseur, Kosmetikerin, Schneider … Da gibt es genug Möglichkeiten. Schließlich haben wir von Anfang an vereinbart, daß sie nicht verpflichtet ist, über jede Kleinigkeit Rechenschaft abzulegen, wohin sie geht und wann sie zurückkommt. Keinerlei Eifersucht. Eifersucht ist in unserer Lage verboten: Läßt man sie erst einmal in die Seele, frißt sie einen auf. Ich glaube meiner Kleinen wie mir selbst. Sie betrügt mich nicht.
    Als er vom Haus zur Garage ging, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein junger Mann mit abstoßendem Äußeren vor ihm auf. Lange fettige Haarsträhnen von schmutziggelberFarbe, ein grünes Lederjackett, rosafarbene Lederhosen, unter denen sich die fetten Oberschenkel unschön abzeichneten, ein riesiger Ohrring mit einem unechten Brillanten.
    »Guten Tag, Konstantin Iwanowitsch!« Ein Mikrophon wurde ihm vor den Mund gestoßen, neben dem rosagrünen Lederheini erschien wie aus dem Erdboden gestampft ein Kameramann. »Bitte ein paar Worte für die nächste Ausgabe unseres Wochenmagazins ›Moskau intim‹. Wie fühlen Sie sich? Haben Sie irgendeinen konkreten Verdacht? Man munkelt, Ihr Sohn sei in ein amouröses Drama verwickelt gewesen, eine Stunde vor dem Mord habe er sich mit dem Liebhaber seiner Frau geschlagen. Was können Sie dazu sagen?«
    »Aus dem Weg!« brüllte Kalaschnikow mit Donnerstimme. »Verschwinden Sie!«
    Aus der

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