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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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natürlich niemand. Aber man kann sich’s ja verdienen. Du gibst doch immer so mit deinen Eltern an. Wie reich die sind, sehe ich.« Sweta sprach jetzt ganz leise, obwohl außer ihnen niemand im Raucherzimmer war. »Köpfchen muß man haben, mein Herz.«
    »Und das heißt?« flüsterte Margarita.
    »Willst du fünfhundert Dollar? Gleich übermorgen in deiner Tasche, willst du?«
    »Machst du Witze? Wo kann ich soviel Geld verdienen? Auf dem Strich, oder was? Fünfhundert Dollar! Übermorgen! Kann ein Elefant eine Tonne Bananen auf einmal fressen? Er kann schon, aber wer gibt sie ihm?«
    Es klingelte. Die zweite Doppelstunde begann.
    »Okay, Häschen, lauf zu deinem Unterricht.« Sweta zupfte sie zärtlich an der Wange. »Ich erkläre dir das alles später.«
     
    Abends begann es wieder zu stürmen. Der feuchte Schnee stob ihnen ins Gesicht. In den neuen Stiefeln fühlte Margarita sich warm und behaglich. Um halb acht bremste ein glänzender schwarzer Audi vor dem alten Gebäude des Maly-Theaters. »Na, ihr beiden Hübschen, seid ihr noch nicht erfroren?« fragte der gutgekleidete grauhaarige Mann,der aus dem Wagen stieg, und riß mit schwungvoller Geste die hintere Tür auf.
    »Grüß dich.« Sweta küßte den Mann auf die Lippen. »Das ist meine Freundin Margarita.«
    Der Mann musterte die zierliche Gestalt in der schäbigen Jacke aufmerksam von oben bis unten. Sein Gesicht kam Margarita entfernt bekannt vor, irgendwo hatte sie es schon gesehen, entweder im Fernsehen oder in einer Illustrierten. Er küßte ihr galant die Hand, sagte: »Sehr angenehm«, stellte sich selber jedoch nicht vor. Aber Margarita achtete nicht weiter darauf. Sie war in leichter, fröhlicher Stimmung. Vor einer halben Stunde hatte sie bei Sweta in der Maske ein halbes Glas Champagner gekippt.
    »Es kann dir ja nicht schaden«, sagte Sweta und tuschte ihr sorgfältig die Wimpern mit einer sündhaft teuren französischen Wimperntusche. »Im Prinzip ist er gar nicht so übel, natürlich schon ziemlich alt, aber sonst ganz okay. Manchmal macht’s direkt Spaß. Du mußt unbedingt mal einen Dreier ausprobieren.«
    Margarita hatte bisher noch nicht einmal einen richtigen Zweier ausprobiert. Das erste Mal war es mit einem Mitschüler passiert, mit Wassja Schejko, nach der Abifete. Wassja war betrunken, er schwitzte, schnaufte, hauchte ihr seinen Alkoholatem ins Gesicht und kam mit seinem Hosenschlitz nicht klar. Danach hatte sie eine ziemlich langweilige Affäre mit einem Kommilitonen, Borja Wladimirow, und auch das hatte ihr keinen besonderen Spaß gemacht. Vielleicht war es ja zu dritt wirklich interessanter? Fünfhundert Dollar waren jedenfalls nicht zu verachten, und das sollte nur der Anfang sein, Sweta hatte gesagt, später gäbe es mehr. Außerdem lohnte es sowieso nicht, sich in diesem Leben vor irgend etwas zu fürchten außer vor kalten Wintern, abgerissenen Schuhsohlen und dem gelblichen, krümeligen Hirsebrei, der zu Hause im leeren Kühlschrank in einem zerbeulten, schwarzangelaufenenKochtopf auf die völlig ausgehungerte Margarita wartete.
    Im Auto lief leise Musik. Es tat gut, in einem teuren Wagen mit getönten Scheiben durch die schneenasse Stadt zu fahren, und nicht irgendwohin, sondern auf eine Datscha, eine warme, zweistöckige Datscha mit Sauna und Swimmingpool.
    * * *
    Generalmajor Ufimzew, stellvertretender Innenminister, hatte seinen alten Freund, den Schauspieler Konstantin Kalaschnikow, zu sich nach Hause eingeladen. Gewöhnlich trafen sie sich im exklusiven Sportclub an der Woikowski-Straße, spielten Tennis und tranken in der Sauna ein Bierchen. Jetzt aber konnte davon keine Rede sein. Kalaschnikow hatte einen schweren Schlag erlitten. Sein einziger Sohn war ermordet worden.
    Am Vorabend hatte er angerufen. Durchs Telefon klang seine Stimme schwer und heiser.
    Schlimmer hätte es ihn nicht treffen können, dachte der General. Möge der Himmel mich vor so etwas schützen.
    »Ich muß mit dir reden, Serjosha.«
    »Morgen ist Samstag. Komm doch morgen vormittag zu mir nach Hause. So gegen zehn«, erwiderte Ufimzew.
     
    Am Samstagmorgen hatte Margarita Dreharbeiten. Bevor sie um halb neun ging, weckte sie ihren Mann, küßte ihn zärtlich und streichelte ihn über die Wange, die sich über Nacht mit häßlichen grauen Altmännerstoppeln bedeckt hatte.
    »Kostja, vergiß nicht, dich zu rasieren, immerhin gehst du zu einem General.«
    »Versprochen, mein Schatz.« Er griff nach ihrer warmen, nach teurer Toilettenseife

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