Club Kalaschnikow
Boris die Orlowa zu verpassen.
Aus seiner ledernen Gürteltasche zog er einen Fünfzigdollarschein und zeigte ihn dem störrischen Penner. Dem funkelten die Augen, und er griff mit seiner schmutzigen zitternden Hand nach dem Geld.
»O nein, Freundchen. Zuerst erzählst du was.« Artjom wedelte ihm mit dem Schein vor der Nase herum.
»Also wirklich, Jungs, tut die Kamera weg, dann erzähleich euch alles, ich bin kein Schwein, ich lüge nicht«, quengelte Boris.
»Hört das jetzt endlich auf oder nicht!« Igor hielt es nicht mehr aus. »Ich will was fressen, ich hab schon Magenschmerzen, mein Geschwür tut weh, und wir schlagen uns hier stundenlang mit dir herum. Sprichst du nun in die Kamera oder nicht? Wenn nicht, dann verschwinde! Solche Zeugen wie dich kennen wir! Da drüben am Kiosk steht eine ganze Horde solcher Zeugen. Für einen Zehner erzählen die mir ganze Romane! Dir bietet man fünfzig Dollar an, und du plusterst dich auf! Hau ab, du stehst uns bis hier!«
Um die Wirkung zu erhöhen, hob Artjom noch einmal den Schein hoch und steckte ihn sofort wieder weg.
»Ach, hol euch der Teufel!« Der Penner winkte resigniert ab. »Es wird mir schon nicht gleich an den Kragen gehen, und wenn doch, mir ist nicht bange! Schalt deine Kamera ein!«
* * *
Margarita schnitt die Krabben für den Salat und pfiff dabei leise eine Melodie aus dem Film »Das treue Herz einer Hure«.
»War das Katja am Telefon?« fragte sie, als Shannotschka in die Küche zurückkam.
»Ich glaube, wir haben nicht genug Mayonnaise«, erwiderte Shannotschka.
»Na, dann geh doch los und kauf welche«, meinte Margarita schulterzuckend, »du bist heute irgendwie komisch. Kannst du mir nicht eine normale Antwort auf meine Frage geben?«
»Nein«, Shannotschka schaute in den Topf, in dem der Reis kochte, »wie lange dauert das denn noch. Auf der Packung steht, nur fünf Minuten.«
»Was heißt ›nein‹? Wer hat denn nun angerufen?«
»Ah … ja, das war Katja.« Shannotschka öffnete den Kühlschrank und kauerte sich vor ihm nieder. »Vielleicht sollte man noch etwas Butter drantun?«
»Wie du meinst. Hat Katja gesagt, wo sie ist?«
»Nein. Ich hab auch nicht gefragt.«
»Und wann kommt sie wieder?«
»Weiß ich nicht.«
Shannotschka nahm die Butterdose aus dem Kühlschrank und schlug die Kühlschranktür zu. »Ich glaube, an den Salat müssen unbedingt noch Oliven.«
»Katja hat wohl ein Rendezvous mit ihrem Liebhaber, was?« Margarita grinste spöttisch. »Warum auch nicht, das Leben ist kurz.«
Shannotschka wurde dunkelrot, öffnete den Mund, um eine scharfe Antwort zu geben, beherrschte sich dann aber.
Margarita pfiff wieder das Liedchen aus dem Film.
»Wie laufen die Dreharbeiten?« fragte Shannotschka, um von dem heiklen Thema abzulenken.
»Normal«, brummte Margarita.
»Ist es dir nicht unangenehm, eine Prostituierte zu spielen? Du mußt dich doch in die Rolle einleben und denken und fühlen wie sie. Das ist doch widerlich!«
»Ich lebe mich in gar nichts ein.« Margarita schob sich mit einer schnellen Bewegung eine Krabbe in den Mund. »Ich spiele, und fertig. So wie wir als Kinder Krieg gespielt haben. Bum-bum, Volltreffer, du Trottel bist tot!«
»Ich habe als Kind bloß mit Puppen gespielt«, seufzte Shannotschka. »Und deine Klassenkameradin Olga, hat die auch Krieg gespielt?«
Margarita legte das Messer beiseite, schluckte die Krabbe hinunter und maß Shannotschka mit einem spöttischen, listigen Blick.
»Von wem weißt du denn, daß Olga in meiner Klasse war?«
»Also, so konkret kann ich das jetzt nicht sagen. Ist das denn wichtig?«
Shannotschka bearbeitete das Stück Fleisch, das vor ihr auf dem Tranchierbrett lag, mit einem kleinen Hammer so energisch, daß der ganze Tisch wackelte.
»Nein, eigentlich nicht«, lenkte Margarita sofort ein, »Klatschmäuler gibt es genug. Olga … Nein, Olga hat nicht Krieg gespielt, sie war immer sehr still und zurückgezogen.«
»Entschuldige bitte, aber ich wollte dich immer schon fragen, ist es wahr, daß du sie mit Gleb bekannt gemacht hast?«
»Sehe ich aus wie eine Kupplerin?«
»Ehrlich gesagt, ich habe noch nie eine Kupplerin gesehen«, bekannte Shannotschka.
Margarita ging zum Fenster, ergriff den Hebel, um das Oberlicht zu öffnen, und erstarrte für einen Moment, als sie in den Hof blickte.
»Warum treiben sich die Fernsehfritzen da unten rum, das wüßte ich doch gern«, sagte sie nachdenklich.
Mitten auf dem Hof, neben dem Sandkasten, stand eine
Weitere Kostenlose Bücher