Club Noir - 1
Ohrläppchen.
Die Hitze kehrte mit schier unerträglicher Gewalt zurück. Er fuhr zusammen. Den quälenden Hunger hatte er an diesem Abend gut verdrängen können. Bisher! Nun bemerkte er jedoch, wie sich seine Eckzähne gierig hervorschoben. Jesses Blut rauschte in seinen Ohren. Er musste sich nähren, bevor die Nacht zur Neige ging!
Jesse war so schön und ihr Geruch betörte ihn auf ganz erstaunliche Weise. Und als sie nun die Augen aufschlug, ihn zärtlich ansah, brachte es ihn beinahe um den Verstand. Nie zuvor hatte er die Erregung so deutlich in sich gespürt. Aber er durfte sich nicht an ihrem Blut vergreifen! Er wollte sie nicht erschrecken oder sie im schlimmsten Falle verlieren.
„Was machst du nur mit mir?“
Er wusste, dass er sich nicht mehr lange zusammenreißen konnte. Wenn er bei Jesse blieb und sich von ihr verführen ließ, würde er hemmungslos über sie herfallen. Denn da gab es nicht nur den zärtlichen Liebhaber in ihm, sondern auch die animalische Seite und den Durst nach Blut. Er spürte es so deutlich, dass er eine Hand unter das Kopfkissen schob und sie krampfhaft zur Faust ballte.
„Stimmt etwas nicht?“ Natürlich entging Jesse seine Anspannung nicht. Sie richtete ihren Oberkörper auf, bot ihm die Brüste verführerisch dar. Eine Hand streckte sie vorsichtig aus und fuhr ihm durch das dichte dunkle Haar.
Sie wirkte so zaghaft und unschuldig. Andrew rang mit sich selbst.
„Mein Engel.“ Er nahm erneut ihre Hand und küsste sie. „Ich muss leider gehen.“
„Jetzt gleich?“ Die Enttäuschung legte sich wie ein finsterer Schatten über ihr Gesicht.
„Es tut mir Leid.“ Noch einmal beugte er sich vor. Unter enormer Selbstbeherrschung vermied er es, sich ihrem Hals oder ihrer Brust zu nähern. Er reckte das Kinn, seine Lippen berührten ihre Stirn und die Wangen, bevor er ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss verschloss.
Jesse wurde von seinem Verlangen überwältigt. Er presste sie unnachgiebig in die Kissen und raubte ihr die Luft zum Atmen. Sein Drängen erschreckte sie ein wenig, dennoch genoss sie es unheimlich. Unterwürfig ließ sie ihn gewähren.
Sie wäre ein leichtes Opfer für ihn gewesen. Letztendlich siegte aber Andrews Vernunft. Er zog sich zurück. Den Oberkörper mit den Händen abgestützt betrachtete er sie ausgiebig. Ganz ruhig lag sie da – und erwartungsfroh. Ihre Beine regten sich. Sie fuhr mit den Füßen hinauf über seinen Po. Ihr Unterleib bäumte sich ihm entgegen. Ein Flehen lag in ihren Augen.
„Ich wünschte, ich könnte bleiben.“ Seufzend setzte er sich auf. Seine Gier drohte die Oberhand zu gewinnen. Je aufreizender Jesse sich bewegte, umso schwerer machte sie es ihm.
„Verzeih mir. Es geht nicht anders.“ Er konnte sie nicht einmal mehr ansehen. Zu schmerzlich wäre es gewesen.
„Warum bleibst du nicht?“ Mit enttäuschtem Blick beobachtete Jesse, wie Andrew sich ankleidete. Jede noch so kleine Bewegung seines Körpers schien vollendet. Seine kräftigen Arme griffen nach seinem Hemd. Wie ein fließender Strom hüllte es ihn ein und verbarg seine breiten Schultern.
Jesse litt unter seiner plötzlichen Kühle.
„Bleib bei mir“, flehte sie. „Es ist hier so einsam ohne dich.“
Andrew musste grinsen. Sie verzehrte sich nach ihm. Er mochte dieses Gefühl. Obwohl er sich am liebsten von ihr hätte umstimmen lassen, blieb er entschlossen. Er musste ganz einfach gehen, bevor er sich selbst vergaß.
„Nein, mein Engel, es geht wirklich nicht.“
Ein letztes Mal für diesen Abend lehnte er sich zu ihr vor. Es kostete ihn unglaubliche Kraft. „Du verführst mich dazu, meine Geschäfte zu vernachlässigen. Ich habe wirklich noch viel zu tun. Dabei ist die Nacht bald vorbei.“
„Gibt es denn niemanden sonst, der diese Dinge für dich erledigen kann?“ Nun bettelte sie. Sie hasste sich selbst dafür, dennoch tat sie es, um Andrew die Flucht zu erschweren. Ruckartig setzte sie sich auf und schlang die Arme um seinen Hals.
Wenn sie wüsste! Was würde sie wohl sagen, wenn sie erfuhr, dass Andrew sich nicht um seine Geschäfte kümmerte, sondern für seine Nahrung sorgen musste? Er biss die Zähne zusammen und befreite sich geschickt und ganz sanft aus ihrer Umklammerung.
„Quäl mich nicht“, hauchte er an ihrem Ohr.
Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. Mit einem Mal wirkte er auf merkwürdige Weise verändert. Jesse war versucht, ihn am Kragen festzuhalten. Ihm in die dunklen unergründlichen Augen zu sehen.
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