Club Noir - 1
Tür des Hintereingangs auf. Breitbeinig und mit verschränkten Armen stellte er sich Andrew entgegen. Die harten Züge in seinem Gesicht sprachen von Abscheu und Kampfbereitschaft. Er machte kein Geheimnis daraus, wie sehr er den anderen Vampir verachtete.
„Wo ist Jacques?“ Andrews Miene verriet nichts von seinem aufkeimenden Zorn. Er wirkte so ruhig, dass es Louis nur noch mehr in Rage versetzte.
„Krank.“ In den Augen von Louis blitzte es gefährlich auf.
„Und da hast du beschlossen, seinen Posten zu übernehmen?“ Der Spott in Andrews Stimme war nicht zu überhören. Er reizte seinen Kontrahenten. Forderte ihn geradezu heraus.
Louis atmete scharf ein und aus. „Irgendjemand musste es ja tun.“ Seine Mundwinkel zuckten und seine Zähne traten ein winziges Stück hervor. Am liebsten hätte er einen Satz nach vorne gemacht und Andrew an der Kehle gepackt. Aber der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung war noch nicht gekommen. Ein einfacher Kampf hätte die Rachegelüste von Louis nicht befriedigt. Er wollte dem verhassten Gegner eine viel größere Wunde zufügen. Dafür musste er sich allerdings in Geduld üben, was ihm unsagbar schwer fiel.
Andrew fixierte ihn mit den Augen. Er prüfte genau, was Louis vorhatte, bevor er sprach: „Dann bin ich ja froh, dass du diese Aufgabe übernommen hast!“
Die Anspannung löste sich auf einmal und Louis trat zur Seite. Er gab den Weg in den Club ohne Umschweife frei.
Mit einem gleichgültigen Ausdruck schritt Andrew an Louis vorbei. Ohne es offen zu zeigen, blieb Andrew jedoch wachsam. Er traute dem Vampir nicht. Der Groll stand ihm viel zu offensichtlich ins Gesicht geschrieben.
Noch eine ganze Weile verharrte Louis an den Türrahmen gelehnt. Er starrte hinauf zum Himmel. Die Dunkelheit wurde allmählich durchbrochen. Die Sonne war kurz davor, ihre hellen Strahlen über die Häuserdächer zu schicken.
Ein ungewöhnlicher Morgen. Trotz der frühen Stunde fühlte Louis sich nur wenig geschwächt. Stattdessen kam er sich mächtig vor und über alles erhaben. In kaum einer anderen Nacht hatte er sich von so viel Blut genährt wie in dieser. Michelle war nicht sein einziges Opfer geblieben. Es stärkte ihn, ließ seine Muskeln regelrecht anschwellen. Stolz und von sich selbst eingenommen warf er einen Blick in die Ecke, in die er den bewusstlosen Körper von Jacques abgelegt hatte. Eine raue und dreckige Lache entrang sich seiner Kehle.
Schließlich schloss Louis die Tür. Er marschierte durch den Flur zurück in seine Räume. Bei Anbruch der neuen Nacht würde er kräftiger denn je erwachen.
An diesem Tag schritt Jesse sehr nachdenklich durch die Räume der Galerie. Unbändige Hitze glomm in ihr auf, dachte sie auch nur für Sekunden an die vergangenen erotischen Erlebnisse. Die Bilder wollten einfach nicht von ihr ablassen. Immer wieder tauchte Andrews zärtlich lächelndes Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Sie glaubte, vor Schamesröte regelrecht zu glühen, sobald sie von irgendjemand auf ihr gedankenverlorenes Verhalten angesprochen wurde.
Madame Demier gelangte im Laufe des Tages sogar zu der festen Überzeugung, dass Jesse von heftigem Heimweh oder gar von einer ernsthaften Krankheit geplagt wurde. Sie ahnte ja nicht, welche Dinge ihre junge Kollegin tatsächlich beschäftigten!
Trotz allem Gefühlstaumel und den ständigen Ermahnungen durch Madame Demier bemühte sich Jesse, ihre Aufgaben folgsam und so gut wie möglich zu erledigen. Sie konnte es jedoch nicht vermeiden, dass ihr die Gedanken immer wieder entglitten. Schmerzlich pochte die Sehnsucht in ihr. Etwas Ähnliches hatte sie nie zuvor empfunden. Andrew versetzte sie in einen quälend ekstatischen Zustand. Ihr Körper schrie kläglich nach seinen Berührungen. Mit jeder Faser ihres Selbst verzehrte sie sich nach ihm. Nur eines trübte ihre Stimmung. Der unerklärliche Schatten, den sie über ihm wahrgenommen hatte.
Was verbarg er vor ihr? Und woher rührte die Kälte, die stets so plötzlich von ihm ausging? Sie war sich so sicher, dass er etwas vor ihr verheimlichte. Es machte sie rasend. Alles in ihr – sämtliche Empfindungen – waren hin und her gerissen. Das Misstrauen und die Ungewissheit. Die Sehnsucht und das Verlangen. Sie wollte zu ihm. Auf der Stelle!
„Mademoiselle Brown“, wurde sie von der freundlichen Stimme Madame Demiers abgelenkt, „hier – ich habe Ihnen einen Tee gekocht. Sie sehen so blass aus. Ich denke ja noch immer, dass Sie ins Bett
Weitere Kostenlose Bücher