Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
denn immer nur um deinen Artikel?“
„ Ach was!“ Sie drehte sich um, aber dann fiel ihr doch noch was ein: „Woher weißt du denn, dass sie sich vor lauter Wut nicht heute noch umbringen? Schönen Abend noch.“ Es war noch zu früh zum Abendessen. Ich beschloss, auf mein Zimmer zu gehen, holte mir eine Limonade aus dem Kühlschrank und setzte mich auf die Terrasse. Es war noch immer sehr warm, aber es wehte auch eine angenehme Brise. Die Palmen, die als Abschirmung in großen Kübeln links und rechts die einzelnen Terrassen abgrenzten, raschelten im Wind.
Normalerweise hätte ich jetzt mein I-Phone rausgenommen und Wortjagd gespielt. Das war ein Klasse Zeitvertreib, dabei verflogen die Stunden wie im Nu. Warum bloß hatte ich mein Handy weggegeben? Ich könnte ja mal den Fernseher anmachen. Dazu hätte ich aber aufstehen müssen. Das Meer war ja eigentlich auch ganz schön anzusehen. Schließlich fand ich eine sehr sinnvolle Beschäftigung, die auch noch großen Spaß macht: Ich zog die Haut, die sich an meinen Beinen abzulösen begann, in kleinen Stückchen ab. Gerade hatte ich einen besonders langen Streifen erwischt, da hörte ich eine Frauenstimme: „Sind‘s auch ein Gast hier? Oder gehören Sie zum Management?“
Kapitel 21
Die ältere Frau, die bei ihrer Ankunft kaum etwas gesagt hatte, stand vor meiner Terrasse. „Derf i mi a weng zu Eana setzen?“
„ Ja, gern!“ Es gefiel mir, dass meine Terrasse die Menschen anzog. „Leider kann ich Ihnen nur Saft oder Cola anbieten.“
„ Des is fei ned nötig. Aber a Glas Wasser wäre nett, es iss ja so heiß hier.“
Die Frau hieß Devi und sie begann zu erzählen. Komischerweise redete sie, kaum hatte sie sich hingesetzt, nur noch in gestochen scharfem Hochdeutsch. Sie sagte, sie hätte lange für den SWF moderiert, da durfte man keinen Dialekt reden. Sie war in der Nähe von Augsburg aufgewachsen, aber hatte schon an den verschiedensten Orten gelebt. Unter anderem in Indien, bei einer Sekte, wo sie auch ihren Namen geändert hatte. Ihren echten Namen wollte sie mir nicht verraten. Sie war lustig, intelligent, und verwirrend. Ich verstand überhaupt nicht, warum sie hier war. Sie machte überhaupt nicht den Eindruck eines Menschen, der mit dem Leben abgeschlossen hatte. Sie interessierte sich für andere Menschen und konnte laut lachen. Dann kam eigentlich nur eine psychische Störung in Frage. Doch welche? Manische Depression? Multiple Persönlichkeitsstörung? Psychotische Wahnvorstellungen?
Im Flug auf die Insel hatte sie ihre zwei Mitreisenden kennengelernt und konnte einiges über sie erzählen. Die Frau hieß Irene, der Mann Michael. Irene hatte eine Scheidung hinter sich und war stinksauer, dass ihr Mann wegen des blöden Ehevertrages sein ganzes Geld behalten durfte. Und es jetzt seiner neuen Freundin hinterherwarf. Den Flug und das Hotel hatte sie noch schnell auf seine Kreditkarte gebucht, der würde sich wundern!
„ Aber die Kostenerstattung lässt sie sich bestimmt aufs eigene Konto überweisen!“ mutmaßte ich.
Michael war schwerer zu durchschauen, meinte Devi. Er war anscheinend wirklich depressiv. Hatte wenig geredet und auch nichts über seine Vergangenheit preisgegeben.
„ Vielleicht ist er in Rente und weiß nichts mehr mit sich anzufangen?“
Devi war skeptisch. „So alt ist er noch nicht. Mitte 50 vielleicht. Wie alt bist du eigentlich?“
"33." Und dann gab ich die Geschichte von meinem verpatzen Geburtstag zum Besten. Sie musste lachen. An ihrem 33. Geburtstag , fiel ihr ein, hatte sie sich eine Ausbildung zur Pilotin geschenkt
„ Pilotin, ehrlich?“
Sie konnte nur kleine Flugzeuge fliegen, sagte sie. Eigentlich hatte sie die Ausbildung nur gemacht, um ihre Flugangst zu überwinden. Aber dann hatte sie doch eine Weile lang damit Geld verdient. Sie hatte Touristen über den Amazonas geflogen, und auch über die ostafrikanische Savannah.
Also entweder log diese Frau das Blaue vom Himmel herunter, oder sie hatte den eisernsten Willen, den ich je gesehen hatte. Aus Angst vor Flugzeugen den Pilotenschein machen – was für ein abstruser Gedanke.
„ Und wann war das, bevor oder nachdem du beim SWR gearbeitet hast?“
„ Äh, vorher!“
„ Und Angst vor dem Tod hast du auch nicht?“ fragte ich nach.
„ Und wie! Deswegen bin ich ja hier. Ich bin der ängstlichste Mensch, den du je gesehen hast.“
„ Hä, glaube ich jetzt nicht.“
Devi seufzte und erklärte mir dann mit leiser Stimme, dass sie seit drei
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