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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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ermitteln suchen, wo für den Klienten das eigentliche Problem ist, d. h. jetzt gilt es, die inhaltlich
     »richtigen« Fragen zu stellen, damit die thematische Arbeit Prägnanz und Dichte erhält.
    Menschen suchen vielfach deshalb einen Coach auf, weil sie sich die eigentlich relevanten, entwicklungsfördernden Fragen nicht
     selbst zu stellen vermögen. Dementsprechend wissen sie auch keine Antworten auf diese Fragen. Verdeutlichen wir uns das noch
     einmal an dem Beispiel mit der jungen Trainerin:
     
    Sie hatte detailreich die Pausensituation beschrieben und gestöhnt: »Das ist mir alles sehr unangenehm.« Die Beraterin fragte:
     »Unangenehm? Wie fühlt sich das für Sie an?« Die Klientin berichtete nun von einem Druck im Magen. Die Beraterin fragte: »Kennen
     Sie diesen Druck aus anderen Situationen?« Der Klientin fiel nun ein, dass sie als Teenager, immer wenn sie aus der Schule
     nach Hause ging, an einem Jugendzentrum vorbeilaufen musste und dass ihr dort jeweils eine ganze Traube von »Halbstarken«
     hinterhergegrölt hatte. Die Beraterin fragte: »Können Sie sich an diese Situation bitte in möglichst vielen Details erinnern?«
     Die Klientin berichtete nun von einem »frechen Leader«, der sie den anderen immer schon von weitem angekündigt habe. Sie stoppte
     kurz ihren Bericht, weil plötzlich ihre damaligen Gefühle von Bedrängnis noch einmal in ihr aufstiegen. Jetzt brach es aus
     ihr heraus, dass ihr jedes Mal wie vor einer Vergewaltigung zumute gewesen war. Die Beraterin hörte, bis die innere Erregung
     der Klientin langsam abgeklungen war, nur passiv zu. Daran anschließend fragte sie: »Könnten Sie vielleicht einmal versuchen,
     die damalige Situation mit der in den Pausen zu vergleichen?« Die Klientin musste jetzt lachen, denn sie stellte erleichtert
     fest, dass sie in der Pausensituation »eigentlich« selbst »Boss« ist. Jetzt war sie fast erstaunt, dass sie die Kursteilnehmer
     unbewusst mit den »Halbstarken von damals verwechselt« hatte. Als sie am nächsten Tag wieder die Männer unterrichtete, erlebte
     sie sich erstaunlich klar und selbstbewusst.
     
    |246| In diesem Beispiel vollzieht sich die Entwicklung der Klientin vorrangig entlang von Fragen. Bei diesen handelt es sich im
     Prinzip jeweils nur um Aufforderungen, das Berichtete zu präzisieren. Zuerst bat die Beraterin, den Begriff »unangenehm« genauer
     zu fassen. Sie beabsichtigte damit, die Klientin von ihrer sprachlich artikulierten »Oberflächenstruktur« zu ihrer »Tiefenstruktur«
     zu führen. Wie
Bandler & Grinder
(1981) zeigen, besteht eine zentrale Intention aller professionellen Kommunikatoren darin, Klienten zur Verdeutlichung ihres
     Erlebens anzuleiten. Die Autoren postulieren, dass sich ins Unbewusste verlagerte Erlebnisgehalte in »Tilgungen«, also in
     sprachlichen Ungenauigkeiten manifestieren. Diese gilt es dann durch Fragen aufzuklären.
    Die nächste Frage der Beraterin richtete sich inhaltlich auf die Befindlichkeit der Klientin in der besagten Situation. Nachdem
     die Klientin ihre Befindlichkeit als gefühlshafte und leibliche Erfahrung erhellt hatte, fragte die Beraterin nach einem analogen
     Erleben der Klientin aus ihrem bisherigen Leben. Als die Klientin eine analoge szenische Erfahrung mit allen begleitenden
     inneren Sensationen ausführlich berichtet hatte, erfragte die Beraterin einen erlebnishaften Vergleich zwischen der früheren
     Erfahrung und der aktuellen. Durch diesen Vergleich gelang es der Klientin fast von selbst, einen emotional fundierten Erkenntnisprozess
     abzuschließen. Sie verstand nämlich jetzt, dass die geschilderte Berufssituation in ihrem subjektiven Erleben durch die damalige
     überlagert war. Und durch den Vergleich erkannte sie erleichtert, dass sich beide Situationen doch gravierend unterscheiden.
    Diese Fragenstruktur resultiert aus erlebniszentrierten Therapieverfahren, wie der Gestalttherapie (
Perls
1969), dem Psychodrama (
Moreno
1934) und vergleichbaren Ansätzen. Wie ich im nachfolgenden Abschnitt noch eingehend zeigen möchte, sind Interventionen, die
     diesen Ansätzen entstammen, besonders gut für Erweiterungen des subjektiven Weltverständnisses von Menschen geeignet. Dementsprechend
     zielen Fragen dieses Typs immer auf die Bewusstmachung prärationaler Erlebnisanteile. Dabei sei allerdings schon an dieser
     Stelle bemerkt, dass derartige Fragen zu »erfinden« und zu stellen ein profundes Verständnis der Hintergrundkonzepte

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