Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Erstkontakten, die sich ja, um überhaupt eine gemeinsame Verstehensbasis anzubahnen, immer eng an
den Aussagen von Klienten orientieren müssen, ziehen selten größere Lerneffekte nach sich.
Wenn zwischen Coach und Klient bereits eine vertrauensvolle Basis entstanden ist, der Coach also den Klienten schon gut kennt,
weiß er auch abzuschätzen, welches Feedback beim Klienten voraussichtlich Lernchancen eröffnet und welches nicht. Dann gelingt
es ihm nämlich generell, die Wirkungen seiner Interpretationen einzuschätzen und im Allgemeinen auch die Wirkungen konfrontativer
Feedbacks.
So könnte es z. B. nach einer längeren Zeit der gemeinsamen Arbeit mit der jungen Frau durchaus konstruktive Lerneffekte nach
sich ziehen, wenn die Beraterin folgendes Feedback gibt: »Könnte es sein, dass Sie in der ersten Zeit etwas locker flirtend
aufgetreten sind und nicht strikt genug in ihren Signalen waren, dass Sie nicht zu haben sind?« Die Klientin würde nun wahrscheinlich
ihre verdeckten Botschaften versuchsweise überprüfen und sortieren.
|240| Gerade bei interpretativen und vor allem bei konfrontativen Rückmeldungen bestimmt sich die Lernchance für den Klienten hochgradig
nach der Art des Feedbacks. Zwar sollte jede Rückmeldung von menschlicher Wertschätzung getragen sein, bei Konfrontationen
erhält dieses Postulat aber eine besondere Bedeutung. Kein Mensch lernt irgendetwas, wenn an ihm herumgenörgelt oder herumkritisiert
wird. Liebevoll und humorvoll vorgetragene Konfrontationen dagegen können durchaus dazu animieren, nochmal »in sich zu gehen«
und das eigene Verhalten in kritischer Distanz zu sich selbst zu überprüfen. Wärme und Humor von Beratern überträgt sich dann
nämlich auch auf die Klienten, indem sie sich selbst etwas duldsamer als bisher auf ihre »Fehler« oder »Schwächen« hin untersuchen.
So erbringt ein humorvoll vorgetragenes Feedback der Beraterin sicher noch bessere Lerneffekte bei der Klientin als das soeben
beschriebene: »Ich könnte mir vorstellen, dass es die jungen Männer am Anfang regelrecht als Sensation betrachtet haben, eine
so hübsche junge Trainerin zu bekommen. Ich könnte mir denken, die haben sich allerlei Phantasien gemacht. Ich vermute mal,
dass Sie das unterschwellig auch nicht ganz kalt gelassen hat.«
Bei interpretativen Rückmeldungen sollte der Coach aber unbedingt darauf achten, dass er seine Interpretationen als solche
kennzeichnet. Wie
Cohn
(1975) fordert, sollten Kommunikatoren ohnedies möglichst direkt in der »Ich«-Form sprechen. Bei Interpretationen durch Professionelle
wird diese Forderung aber dringlich: Die Rollenzuschreibung an Professionelle durch ihre Klienten erhält meistens den Touch
von »Überlegenheit«, und dementsprechend erhalten ihre Statements eine gewisse »Letztendlichkeit«, denn »die haben es ja gelernt«.
Jede Interpretation durch Professionelle birgt dann die Gefahr, vom Klienten als »letzte Wahrheit« betrachtet zu werden. Das
wäre aber ein völlig unerwünschter Effekt von Feedbacks. Sie sollen ja lediglich Anstoß für selbstbestimmtes Lernen sein.
So ist es unumgänglich, dass der Coach alle seine interpretativen Aussagen mit Sentenzen einleitet, die seine subjektive Einschätzung
als solche charakterisieren, also: »ich denke mir«, »mir scheint«, »ich vermute«, »ich habe den Eindruck«, »ich befürchte«
usw.
Die Chance, aus einem Feedback zu lernen, bestimmt sich aber auch ganz zentral nach der Thematik, auf die sich das Feedback
richtet.
|241| Stellen wir uns vor, bei der jungen Trainerin handele es sich um eine Frau, die als Kind einen sexuellen Missbrauch erlebt
hat. In diesem Fall wären die meisten der bislang beschriebenen Feedbacks völlig unpassend. Sie wäre durch die subjektiv erlebte
Objektivierung seitens der Männer vermutlich so tief getroffen, dass jeder Coach gut daran täte, über lange Strecken nur anzuhören,
was durch das aktuelle Ambiente in der jungen Frau alles evoziert wird.
Wenn Klienten Themen ansprechen, die für sie durch hohe persönliche Betroffenheit begleitet sind, sollten sich Gesprächspartner
zunächst jeder Interpretation und vor allem jeder Konfrontation enthalten. Eine situativ angemessene Form des Feedbacks ist
in solchen Fällen oft schwer zu finden. Wenn eine Rückmeldung erfolgt, sollte sie sich eng an die Aussagen der Klienten anlehnen.
4.2 Varianten des Zuhörens
Eben klang schon
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