Coaching to go
Wirklichkeit: Ich – mit meiner individuellen Sicht auf die Welt – übersetze, was Martina gemeint haben könnte. Könnte – denn es wäre ein Fehler anzunehmen, es sei so. Ich könnte aber Martina im Coaching fragen, ob eine meiner Übersetzungen in ihr Resonanz auslöst und wenn ja, welche. Wenn dem so wäre, könnten wir beide an dem Satz oder den Sätzen weiterarbeiten und so nach und nach ihr Verhalten ändern – ihr zum Beispiel den aufrechten Gang beibringen.
26. Das fällt mir schwer
Dort anzurufen, fällt mir schwer! Ihm das zu sagen, fällt mir schwer. Die Bewerbung zu schreiben, fällt mir schwer.
Unsere kulturell bedingte Nähe zur Schwere (siehe auch Kapitel »Das ist ganz schön anstrengend!«) führt nicht unbedingt dazu, dass wir die Dinge leicht nehmen. Anders gesagt: Es fällt vielen leichter, es sich schwer zu machen. Der Grund: Es ist bei uns positiver besetzt, es sich schwer zu machen, als es sich leicht zu machen. Wenn es schwer geht, ist es anerkennenswert und wertvoll! Schon allein deshalb findet die Schwere häufig den Weg in meine Praxis.
Das heißt natürlich nicht, dass es demjenigen nicht schwer vorkommt! Und auch bedeutet es nicht, dass etwas nicht auch schwer sein kann. Keinesfalls möchte ich hier die Schwingen der Leichtigkeit über allem ausbreiten und Sie zu bedingungslos positiv-leichtem Denken verführen! Es gibt nun einmal viele Dinge im Leben, an denen wir schwer tragen. Vielmehr möchte ich Ihnen hier eine Sichtweise anbieten, die es Ihnen vielleicht leichter macht, mit so manchem Schweren umzugehen.
Martin (28) kam zum Coaching to go, weil es ihm schwerfiel , seine Bewerbungen zu schreiben. Unsere Konversation sah in etwa so aus:
»Es fällt Ihnen also schwer, Ihre Bewerbungen zu schreiben.«
»Ja.«
»Es wäre schön, wenn es Ihnen leichter fallen würde.«
»Ja, das wäre super!«
»Meinen Sie, es müsste Ihnen leichter fallen?«
»Ja, klar. Ist ja auch eigentlich nicht so schwer. Andere kriegen das doch auch hin.«
Hier stellte Martin einen merkwürdigen Zusammenhang her: Wenn andere es hinkriegen, kann es nicht schwer sein. Ich wies ihn darauf hin:
»Sie glauben, wenn’s anderen leichtfällt, müsste es Ihnen auch leichtfallen. Interessant!«
»Stimmt, das ist irgendwie Quatsch.«
»Interessanter Quatsch!«, sagte ich, »ein Quatsch, der uns auf eine Fährte führt!«
Wenn wir sagen, dass uns etwas schwerfällt, denken wir oft, es müsste uns leicht(er) fallen, und setzen uns schon allein damit unter Druck.
Martin ging also davon aus, dass es ihm leichtfallen müsste , was es noch schwerer machte. Seine Idee, es würde anderen leichter fallen (reine Spekulation), etablierte er als Maßstab: Wenn die, dann ich auch!
Ad absurdum geführt, würde dies Folgendes heißen: Wenn es einem anderen leichtfällt, Autos zu reparieren, dann müsste es mir auch leichtfallen!
Nun wird jeder, der mich schon einmal mit einem Werkzeug in der Hand gesehen hat, zu Recht vermuten, dass es mir nicht leichtfällt, ein Auto zu reparieren, nur weil es Herrn B. einfach von der Hand geht. Das leuchtete Martin ein, und auf meine Frage, welche Auswirkung dies auf sein »Problem« habe, antwortete er, dass er nun doch schon ein wenig erleichterter sei.
»Prima!«, sagte ich, »und jetzt brauchen wir ein Messer!«
Martin war in etwa so irritiert wie Sie jetzt vielleicht. Und von dem nächsten Satz nicht minder: »Ich möchte gern eine kleine Operation vornehmen: Wir trennen jetzt mal Ihre Intuition von Ihrer Kognition – Ihr (Bauch-)Gefühl von Ihren Gedanken.«
Die Stimmen unserer Gedanken unterscheiden sich meist wesentlich von den Stimmen unserer Gefühle!
Da wir in einem Café waren, konnte ich schnell ein Messer besorgen und legte es vor Martin auf den Tisch. Warum das? Damit wollte ich das Bild »Messer« mit dem folgenden Gespräch verknüpfen. Wann immer Martin in Zukunft etwas schwerfallen sollte, würde er an das Messer denken.
Wir notierten zunächst Martins Gedankenstimmen
Das denke ich über mich und Bewerbungen:
–Ich muss mich bewerben, damit ich einen neuen Job bekomme.
–Ich müsste jetzt endlich mal an die Bewerbungen gehen.
–Ich muss eine tolle Bewerbung schreiben.
–Andere können das besser.
Seine inneren Gedankenstimmen sagten ihm also unaufhörlich Folgendes:
Du musst jetzt endlich mal an die Bewerbungen gehen! Du musst eine tolle Bewerbung schreiben! Andere können viel besser schreiben als du!
Was Martins Gefühlsstimmen
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