Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
Bedürfnisse befriedigt werden mussten. In diesem Geschäft gab es keine Loyalität. Wenn der gewohnte Lieferant nicht liefern konnte, ein anderer aber wohl, wechselte der kleinere Dealer einfach den Lieferanten.
Als die Ankunftsquote nur noch bei fünfzig Prozent des Erwarteten lag, entwickelte sich allmählich eine landesweite Knappheit. Die Marktkräfte sorgten dafür, dass die Preise stiegen. Die Importeure verschnitten den Puro nicht mehr im Verhältnis von sechs oder sieben zu eins, sondern bis auf das zehnfache Volumen, um ihre Bestände zu strecken und ihre Kunden zu behalten. Manche Süchtige schnupften nur noch einen siebenprozentigen »Mix«. Die Substanzen, mit denen der Stoff verlängert wurde, waren zunehmend wertlos, und die Chemiker rührten irrwitzige Mengen von Ersatzdrogen wie Ketamin in die Ware, um dem Drogenuser vorzugaukeln, er bekomme eine erstklassige Dröhnung und nicht bloß ein hoch dosiertes Beruhigungsmittel für Pferde, das zufällig genauso aussah und roch.
Die Angebotsknappheit hatte noch eine weitere, gefährliche Folge. Die Paranoia, die bei Berufsverbrechern nie ganz verschwindet, stieg langsam an die Oberfläche. Zwischen den großen Banden kam Misstrauen auf, und die eine vermutete, die andere werde besser behandelt. Und die bloße Möglichkeit, das geheime Lager der einen Gang könnte von einer konkurrierenden Bande geplündert worden sein, eröffnete die Gefahr eines extrem gewalttätigen Unterweltkriegs.
Largo hatte die Aufgabe, dieses Haifischbecken mit der Zusage zu beruhigen, die normalen Lieferungen würden bald wiederaufgenommen werden. In Mexiko musste er damit anfangen.
Zwar wird die USA von leichten Flugzeugen, Schnellbooten, Privatyachten, Flugpassagieren und »Mulis« mit vollem Magen attackiert, die allesamt Kokain schmuggeln, aber die größten Kopfschmerzen verursacht die mexikanische Grenze, die sich über 3000 Meilen dahinzieht. Sie reicht vom Pazifik, südlich von San Diego, bis zum Golf von Mexiko, vorbei an Kalifornien, Arizona, New Mexico und Texas.
Das nördliche Mexiko im Süden der Grenze war schon seit Jahren buchstäblich ein Kriegsgebiet, in dem rivalisierende Banden um die Vorherrschaft oder wenigstens einen Platz in der Hackordnung kämpften. Tausende von gefolterten und hingerichteten Opfern wurden einfach auf die Straße oder in die Wüste geworfen, während Kartellführer und Bandenbosse regelrecht geisteskranke »Vollstrecker« beauftragten, ihre Rivalen zu eliminieren. Tausende von Unschuldigen gerieten dabei ins Kreuzfeuer und starben.
Largo sollte mit den Chefs der Kartelle Sinaloa, Gulf und La Familia sprechen. Sie alle tobten, weil ihre Ware nicht eintraf. Mit Sinaloa würde er anfangen; es beherrschte den größten Teil der Pazifikküste. Sein Pech war, dass es die Maria Linda zwar geschafft hatte, nicht aber der nächste Frachter: Der war an dem Tag, als Largo nach Norden flog, spurlos verschwunden.
Die gleiche Aufgabe in Europa bekam Largos Stellvertreter, der intelligente Universitätsabsolvent Jorge Calzado, der neben seiner spanischen Muttersprache fließend Englisch und ein brauchbares Italienisch sprach. Er traf in der Nacht in Madrid ein, in der die SOCA den Hangar auf der Marsch in Essex stürmte.
Die Razzia verlief erfolgreich, und sie wäre noch erfolgreicher verlaufen, wenn der gesamte Essex Mob da gewesen und verhaftet worden wäre, am besten sogar Benny Daniels selbst. Aber der Gangster war clever genug, sich meilenweit von den Drogen fernzuhalten, die er nach Südengland importierte. Dafür hatte er seine Handlanger.
In dem mitgeschnittenen Telefonat hatte es geheißen, der Inhalt des Hangars solle »morgen früh« abgeholt und verlagert werden. Das Einsatzkommando war kurz vor Mitternacht lautlos in Stellung gegangen, ohne Licht, schwarz in schwarz, und hatte gewartet. Sprechen und Taschenlampen waren strengstens verboten, ja sogar Thermosflaschen, damit nicht versehentlich Metall an Metall klirrte. Gegen vier Uhr morgens näherten sich Autoscheinwerfer auf dem Feldweg zu dem dunklen Hangar.
Die »Watchers« hörten, wie die Torflügel rumpelnd zur Seite rollten, und sahen drinnen einen matten Lichtschimmer. Als kein zweites Fahrzeug kam, setzten sie sich in Bewegung. Die bewaffnete Einheit CO 19 sicherte das Gebäude. Dann kamen dröhnende Lautsprecher, die Kommandos brüllten, Hunde, die an ihren Leinen zerrten, blinzelnde Scharfschützen für den Fall, dass sie auf bewaffneten Widerstand stoßen sollten, und
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