Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
Ich wünsche Ihnen frohe Ostern.« Er legte auf. Silver kochte vor Wut. So behandelte ihn niemand. Anscheinend mit Ausnahme der Cobra.
Cal Dexter nahm den Weg über den Stützpunkt Malambo und flog wieder nach Kolumbien. Diesmal hatte er sich mit Devereaux’ Hilfe den Grumman-Privatjet der CIA ausgeborgt – nicht des Komforts wegen, sondern um schnell wieder verschwinden zu können. In der benachbarten Stadt mietete er ein Auto und fuhr nach Cartagena. Ein Back-up-Team hatte er diesmal nicht dabei. Zu manchen Zeiten und an manchen Orten kam man nur durch Unauffälligkeit und Schnelligkeit zum Erfolg. Hätte er Muskel- und Feuerkraft eingesetzt, wäre er hier gescheitert.
Er hatte Señora Cortez in der Haustür gesehen, als sie ihren Mann zum Abschied küsste, bevor der zur Arbeit fuhr, aber sie hatte Dexter nie zu Gesicht bekommen. Die Semana Santa war fast zu Ende, und im Bezirk Las Flores bereitete sich alles auf den Ostersonntag vor. Nur nicht das Haus Nummer siebzehn.
Dexter fuhr ein paarmal im Viertel herum und wartete auf die Dunkelheit. Er wollte nicht am Randstein parken, denn er musste befürchten, dass ein neugieriger Nachbar ihn bemerkte und ansprach, doch er wollte sehen, wie das Licht anging, bevor die Vorhänge zugezogen wurden. Auf dem Stellplatz stand kein Auto, also war vermutlich auch kein Besucher im Haus. Als das Licht anging, konnte er hineinschauen und sah Señora Cortez und den Jungen, sonst niemanden. Sie waren allein. Er stieg aus, ging zur Tür und läutete. Der Junge öffnete ihm die Tür, ein dunkler, durchdringend blickender Teenager, den er schon auf der DVD gesehen hatte. Sein Gesicht war traurig und lächelte nicht.
Dexter zog eine Polizeimarke heraus, hielt sie kurz hoch und steckte sie wieder ein.
»Teniente Delgado, Policía Municipal« , sagte er. Tatsächlich handelte es sich bei der Dienstmarke um ein nachgemachtes Abzeichen des Miami Police Department, aber das konnte der Junge nicht wissen. »Kann ich mit deiner Mama sprechen?«
Statt auf eine Antwort zu warten, schob er sich ruhig an dem Jungen vorbei in den Hausflur.
Pedro lief durch das Haus nach hinten und rief: » Mama, está un oficial de la policía .«
Señora Cortez kam aus der Küche und trocknete sich die Hände ab. Ihr Gesicht war rotfleckig vom Weinen. Dexter lächelte freundlich und deutete zum Wohnzimmer. Er hatte so offensichtlich das Kommando übernommen, dass sie einfach gehorchte. Nachdem sie sich hingesetzt und ihren Sohn schützend an sich gezogen hatte, hockte Dexter sich vor sie und zeigte ihr einen Pass. Einen amerikanischen Pass.
Er deutete auf den Adler, der auf dem Umschlag eingeprägt war, das Wappen der Vereinigten Staaten.
»Ich bin kein kolumbianischer Polizist, Señora. Ich bin, wie Sie sehen, Amerikaner. Und jetzt müssen Sie sehr gefasst bleiben. Du auch, mein Junge. Ihr Mann Juan ist nicht tot. Er ist bei uns in Amerika.«
Die Frau starrte ihn einen Moment lang verständnislos an. Dann presste sie schockiert die Hände an den Mund.
» No se puede .« Das kann nicht sein, keuchte sie. »Ich habe die Leiche gesehen …«
»Nein, Señora, Sie haben die Leiche eines anderen Mannes gesehen, unter einem Laken und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Und Sie haben Juans Uhr gesehen, seine Brieftasche, sein Medaillon, seinen Siegelring. Das alles hat er uns gegeben. Aber der Tote war nicht er, sondern ein armer Landstreicher. Juan ist bei uns in Florida. Er schickt mich, damit ich Sie hole. Beide. Bitte …«
Er holte drei Fotos aus einer Innentasche. Ein sehr lebendiger Juan Cortez war auf dem einen zu sehen. Auf dem zweiten hielt er den Miami Herald mit dem erkennbaren Datum in der Hand. Das dritte zeigte sein Muttermal. Das gab den Ausschlag. Niemand sonst konnte es kennen.
Sie fing an zu weinen. » No comprendo, no comprendo «, sagte sie immer wieder. Der Junge fasste sich als Erster. Er fing an zu lachen.
» Papa está en vida «, krähte er. Papa lebt!
Dexter holte seinen Rekorder aus der Tasche und drückte auf die PLAY-Taste. Die Stimme des »toten« Schweißers erfüllte das kleine Zimmer.
»Liebste Irina, mein Herz. Pedro, mein Sohn. Ich bin es wirklich …«
Schließlich bat er Irina und Pedro, jeweils einen Koffer mit ihren wichtigsten Sachen zu packen, dem Haus Nummer siebzehn Adieu zu sagen und dem Amerikaner zu folgen.
Eine Stunde lang liefen sie abwechselnd lachend und weinend hin und her, packten ein und aus und wieder ein, wählten dies, verwarfen jenes und
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