Cobra
»Du übertreibst, Rolon, und selbst wenn nicht, dann kann Jonny wohl kaum etwas dafür.«
»Ach, nein?«, schnaubte Viljo. »Komm schon – du weißt ebenso gut wie ich, wie diese Art der Bevorzugung funktioniert. Wahrscheinlich
hat Jonnys Familie irgendeine Abmachung mit Bai oder sogar mit Mendro getroffen, und Bai sorgt dafür, dass sie was kriegen für ihr Geld.«
Und mit dieser Beleidigung überschritt Viljo eine dünne Grenzlinie … plötzlich hatte Jonny genug.
In einer einzigen geschmeidigen Bewegung erhob er sich, setzte über den Tisch hinweg und bekam nur am Rande mit, wie sein Stuhl hinten gegen den nächsten Tisch krachte. Er landete direkt hinter Viljo, der, sichtlich überrascht, noch immer saß. Jonny wartete nicht ab, bis er reagierte, packte ihn am Hemd, hievte ihn in die Senkrechte und riss ihn herum. »Das war’s, Viljo – das ist der letzte Breaff-Fladen, den ich mir von dir gefallen lasse. Und jetzt – lass es sein! – kapiert?«
Viljo musterte ihn ruhig. »Aber, aber, du hast ja doch so was wie Temperament. Ich nehme an, Breaff-Fladen ist einer dieser farbigen Ausdrücke, die ihr da draußen in der Provinz gebraucht?«
Diese letzte Frechheit war zu viel. Jonny ließ Viljos Hemd los und schlug dem Kerl hart ins Gesicht.
Es war eine Katastrophe. Viljo duckte sich nicht nur erfolgreich, wegen der ungewohnten Schnelligkeit, den die Servos seinem Schwinger verliehen, geriet Jonny zudem völlig aus dem Gleichgewicht und stieß mit der Hüfte gegen den Tisch, bevor er sich wieder fangen konnte. Der Schmerz entfachte seinen Zorn zur Weißglut. Fauchend drehte er sich um und ließ den nächsten Hieb auf Viljo los. Wieder schlug er daneben, aber während er bereits seinen Arm für einen dritten Versuch spannte, hielt ihn irgendetwas mitten in der Luft fest. Er versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, verlor aber nur erneut das Gleichgewicht. »Ruhig, Jonny, ruhig «, raunte ihm eine Stimme ins Ohr.
Und damit verschwand der rote Schleier unvermittelt vor seinem Blick. Plötzlich fand er sich in einem Raum voller schweigender Cobra-Rekruten wieder, die Arme im festen Griff von Deutsch und Halloran, sah sich Viljo gegenüber, der viel zu selbstzufrieden dreinschaute.
Er versuchte noch immer zu begreifen, was passiert war, als der InterKom-Monitor des Raumes ihm befahl, sich in Mendros Büro zu melden.
Das Gespräch war kurz, aber überaus peinlich, und als Jonny schließlich ging, fühlte er sich wie eine der Zielscheiben auf dem Laserschießstand. Die Vorstellung, wieder hinaus ins Übungsgelände zu müssen, lag ihm schwer im Magen, und auf dem Weg durch Mendros Vorzimmer überlegte er sich ernsthaft, umzukehren und um Versetzung zu einer anderen Waffengattung zu bitten. Wenigstens hätte er dann nicht die Blicke der anderen Rekruten ertragen müssen … Doch während er über die Entscheidung mit sich zurate ging, setzte er einen Fuß vor den anderen, und draußen vor dem Büro war die Frage, sich zu verstecken oder nicht, plötzlich nur noch akademischer Natur.
Als Jonny die Tür hinter sich schloss, lösten sich Deutsch und Halloran von der Wand, an der sie gelehnt hatten. »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Deutsch. Seine Stimme spiegelte die Besorgnis in seinem Gesicht wider.
»Aber sicher«, schnaubte Jonny, der sich von diesem unerwarteten Vordringen in seiner einsamen Schande gestört fühlte. »Man hat mir nur gerade mit Worten das Fell über die Ohren gezogen, das ist alles.«
»Na, wenigstens wirklich nur mit Worten«, strich Halloran heraus. »Vergiss nicht, sämtliche Waffen von Mendro erfüllen ihren Zweck. He, Kopf hoch, Jonny, du bist doch immer noch bei der Truppe, oder?«
»Ja«, sagte Jonny, und sein Magen begann sich ein wenig zu beruhigen. »Wenigstens, soweit ich weiß. Obwohl Bai wahrscheinlich auch noch ein Wörtchen darüber verlieren wird, wenn er hört, was passiert ist.«
»Oh, Bai weiß schon Bescheid – er hat uns gesagt, wir sollen hier auf dich warten«, sagte Halloran. »Er meinte, wir sollen dich raus zum Übungsgelände bringen, wenn du so weit bist. Bist du so weit?«
Jonny verzog das Gesicht und nickte. »Vermutlich. Ich kann es ebenso gut gleich hinter mich bringen.«
»Was denn, Bai gegenüberzutreten?«, fragte Deutsch, als sie sich auf den Weg den Gang hinunter machten. »Keine Sorge, er weiß, um was es bei der Sache ging. Parr und Druma übrigens auch.«
»Ich wünschte, ich wüsste es.« Jonny schüttelte den Kopf. »Was hat
Weitere Kostenlose Bücher