Cobra
York nicht. Wenn Moff irgendwas im Schilde führte – was auch immer -, wäre es für alle Beteiligten sicherer, wenn es reibungslos und wie geplant passierte. Verdammt, Moff, komm endlich zurück, dachte er. Komm zurück und bewahre dir deine Illusion, alles im Griff zu haben.
Er war so sehr damit beschäftigt, heimlich nach Moff Ausschau zu halten, dass er überhaupt nicht mitbekam, was den Streit auslöste.
Tatsächlich wurde ihm das Gerangel erst bewusst, als einer von Moffs Assistenten ihn plötzlich an der Schulter packte und ihn zu einem Menschenkreis zurückriss, der sich am Rand des Marktplatzes gebildet hatte. Die freie Fläche hatte vielleicht zwanzig Meter Durchmesser. Drinnen, kaum fünf Meter voneinander getrennt, standen sich zwei Männer ohne Mojos gegenüber. Der Ausdruck in ihren Gesichtern grenzte ans Mörderische.
»Was ist los?«, fragte York den Qasamaner, der immer noch seinen Arm festhielt.
Es war Ingliss, der antwortete. »Ein Duell«, erklärte er. »Jemand wurde beleidigt. Er hat den Betreffenden herausgefordert, dieser hat angenommen.«
York bekam einen trockenen Mund, als sein Blick zuerst auf die in den Gürteln steckenden Pistolen der Gegner fiel und dann auf die zweihundert oder mehr Menschen, die zusammengekommen waren, um zuzusehen. Sie würden doch hier nicht etwa anfangen, herumzuballern!
Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises tauchte ein Mann mit einem silberblauen Stirnband auf und trat zu den beiden Männern. Aus einer großen Schultertasche zog er einen dreißig Zentimeter langen, rattanähnlichen Stock sowie ein Gebilde aus
zwei, mit einer fünfzig Zentimeter langen milchig weißen Kordel verbundenen, kleinen Kugeln. Er reichte einem der Kombattanten den Stock und die beiden Kugeln, ging zu dem anderen und überreichte ihm einen zweiten Satz aus seiner Tasche. Dann trat er an den Rand des Rings zurück, hob die rechte Hand und zog sie nach unten.
Und der Kämpfer rechts von York, der die Kugeln träge über seinem Kopf hatte kreisen lassen, schleuderte diese unvermittelt auf seinen Gegner.
Und er schleuderte sie gut, mit Kraft und Präzision. Doch der andere war vorbereitet. Er hielt den Stock senkrecht vor sich, fing das Geschoss geschickt damit auf, so dass die Kugeln sich aufwickelten. Einen Augenblick später flogen seine Kugeln kreisend auf den ersten Mann zu, der sie auf ähnliche Weise mit seinem Stock auffing. Jeder der beiden hatte einen kurzen Augenblick Zeit, um die vom Gegner aufgefangene Waffe abzuwickeln, dann waren sie bereit, von vorn anzufangen.
»Was geht hier vor?«, flüsterte York.
»Ein Duell, wie ich schon sagte«, raunte Ingliss zurück. »Die beiden Männer schleudern abwechselnd ihre Bola mit den Fluchkugeln aufeinander, bis beide Waffen in der Menge verlorengehen oder einer der Gegner seine Niederlage eingesteht. Die Fluchkugeln hinterlassen ganz ordentliche blaue Flecken, aber nur selten ernsthafte Verletzungen.«
»In der Menge verlorengehen?«
»Geht ein Wurf zu weit oder wird er aus einem anderen Grund nicht aufgefangen, geben die Zuschauer die Kugeln nicht zurück. Zwei solcher Fehlversuche, und das Duell ist, verständlicherweise, zu Ende.«
»Was hindert sie daran, ihren Gegner zwischen den Würfen anzugreifen und ihm die Seele aus dem Leib zu prügeln?«
»Dasselbe, was sie auch daran hindert, ihre Waffen zu ziehen«, antwortete Ingliss ruhig. »Ihre Mojos – dort und da drüben.« Er zeigte auf zwei der Zuschauer, die beide einen zweiten Vogel auf den Schultern sitzen hatten.
York runzelte die Stirn. »Wollen Sie damit sagen, sie verhindern alle Angriffe, selbst solche ohne Waffen? Ich dachte, sie reagieren nur auf das Ziehen von Waffen?«
»Oh, natürlich können sie nicht alle Angriffe abwehren«, meinte der Bürgermeister achselzuckend. »Sie könnten mich jetzt in diesem Augenblick schlagen, bevor mein Mojo Sie daran hindern könnte. Er würde Sie allerdings daran hindern, Ihren Angriff fortzusetzen.« Er deutete mit einem Nicken auf die Duellanten, die zu schwitzen begonnen hatten. »Aber sie kämpfen so offensichtlich miteinander, dass ihre Mojos sie voneinander trennen würden.«
»Verstehe.« York dachte darüber nach, was das für die Cobras bedeuten mochte, sollten sie irgendwann gezwungen sein, tatsächlich zu kämpfen. Würden die Mojos sie bei einem Kampf als Quelle der tödlichen Laserstrahlen erkennen? Unmöglich zu sagen. »Zumindest«, kommentierte er das Geschehen laut, »erklärt dies, wieso
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