Cobra
riss sich los – und dann stürzten sich kreischend die Mojos auf ihn.
In diesem Augenblick wurde Justins Verstand vollkommen leer, und die einzige Erinnerung an das, was dann geschah, war der Lärm der Vögel und das entsetzliche, gewitterähnliche Gleißen von einhundert Laserblitzen …
Wenige Sekunden später holte ihn der Gestank in die Wirklichkeit zurück, der Gestank von verbranntem Fleisch und seinem eigenen Erbrochenen. Unsicher kam er auf die Beine und besah
sich das Blutbad. Die Mojos waren tot – alle. Die fünf Qasamaner … Justin vermochte es nicht zu sagen. Zwei von ihnen mit Sicherheit, sie hatten deutliche Laserverbrennungen an lebenswichtigen Stellen, bei den anderen – darunter Moff – war er weniger sicher. Aber ob der Schock der Verbrennungen, seine Schallwaffe oder seine um sich schlagenden Arme sie außer Gefecht gesetzt hatten, war nicht wichtig. Sie konnten ihm nichts tun, und er verspürte kein Bedürfnis, weiter nachzufragen.
Der Aufzug fuhr noch immer abwärts. Das Ganze hatte eindeutig weniger lange gedauert, als es ihm vorkam, und dann drang es allmählich in Justins verwirrtes Bewusstsein vor: Die Qasamaner, die unten auf ihn warteten – vorausgesetzt, im Aufzug waren keine Überwachungskameras installiert -, wussten nicht, was gerade geschehen war. Vielleicht konnte er doch noch fliehen.
Er drückte hektisch auf den Knopf, der ihm am ehesten für das unterste Stockwerk infrage zu kommen schien … und dann auf einen zweiten und einen dritten, bevor er erkannte, dass dieser Aufzug im Gegensatz zu denen auf Aventine keine Stornierungen berücksichtigte. Die Kabine würde immer weiter abwärtsfahren, bis sie das von Moff angegebene Stockwerk erreicht hatte. Wo weitere Qasamaner auf ihn warteten.
Er hatte sich quer über die regungslosen Körper auf den Rücken fallen lassen, und sein Antipanzerlaser zeichnete bereits ein Quadrat in die Decke, als ihm klarwurde, dass er nicht bereit war, sich dem zu stellen, was ihn am Boden des Aufzugsschachtes erwartete – er durfte sich dem nicht stellen. Die Deckenattrappe und das vergleichsweise dünne Metall dahinter hatten seinem Laser nichts entgegenzusetzen, und als das verkohlte Quadrat ihm praktisch in den Schoß fiel, stand Justin umständlich auf. Er brauchte eine knappe Sekunde, um sein Gleichgewicht zu finden, dann sprang er.
Niemals zuvor, nicht einmal während der Ausbildung, hatte er seine Beinservos bis an die Grenzen verausgabt, und ihm blieb vor Schreck die Luft weg, als er wie eine unförmige Rakete durch
die Öffnung schoss. Überall ringsum, und sogar mit Hilfe seiner Verstärker nur undeutlich auszumachen, befanden sich Kabel und Halteseile. Das Licht unter einem Türspalt flackerte auf und war vorbei – dann noch eins und noch eins – er wurde langsamer – stand mitten in der Luft …
Instinktiv packte er zu, und eine Sekunde darauf bewegte er sich wieder abwärts, die Arme fest um das Hauptaufzugskabel geschlungen.
Er war also raus aus der Kabine und aus der direkten Schusslinie der Qasamaner unten … aber immer noch mitten in ihrer Hochburg, außerdem hatte er eine Spur zurückgelassen, der ein Kind folgen konnte. Er musste einen Fluchtweg finden, und das schnell.
Seltsamerweise allerdings – zumindest kam es ihm so vor – hatte die erstickende Panik so weit nachgelassen, dass er wieder klar denken konnte. Sein unglaublicher Sprung hatte ihn mit der Eindrücklichkeit einer Dampframme sowohl an die Kraft erinnert, die seine Cobra-Ausrüstung ihm verlieh, als auch daran, wie sein Vater einmal auf ähnliche Weise gefangen gewesen war und sich befreit hatte.
Ein Lichtbalken schwebte vorbei – eine der Türen, an denen er Sekunden zuvor vorbeigesprungen war. Einer Eingebung folgend, stieß er sich vom Fahrstuhlseil zur Tür hin ab und fand mit Fingern und Füßen am Türrahmen und an den Riegeln des Schließmechanismus Halt. Er entdeckte einen kleinen Vorsprung, auf dem er stehen konnte, und gewann das Gleichgewicht zurück, während einen Meter entfernt das Seil weiter abwärtsglitt.
Vorsichtig holte er Luft und schüttelte sich. Ich bin Justin Moreau, erinnerte er sich entschieden. Ein Cobra in den Fußstapfen meines Vaters. Ich werde – ich werde – das hier überstehen. Also gut. Aber womit fange ich an:
Eins stand fest: Es lagen noch mehrere Stockwerke vor ihm, bevor er die Oberfläche erreichte. Stets auf der Suche nach Halt, drehte er sich um und beugte sich vor, soweit dies gefahrlos möglich
war.
Weitere Kostenlose Bücher