Cobra
insoweit Recht, als wir die Mojodaten einer eingehenderen Prüfung unterziehen müssen, bevor wir etwas Gegenteiliges behaupten können. Ich würde jetzt also gern zu einer strategischen Diskussion der Gesellschaft selbst überleiten, vor allem über jene Strukturaspekte, die uns bereits bekannt sind. Hm … Mal sehen … hier: Auf Seite 162 fängt es an.«
Die Diskussion dauerte fast eine Stunde, und trotz des vergleichsweise unvollständigen Materials ergab sich ein Bild, das
Jonny, vom militärischen Standpunkt aus betrachtet, so deprimierend fand, wie man es sich nur vorstellen konnte. »Mal sehen, ob ich das alles richtig verstanden habe«, sagte er am Ende und versuchte dabei, seinen triefenden Sarkasmus so behutsam wie möglich zu dosieren. »Wir haben es mit einer Gesellschaft zu tun, deren Mitglieder stets bewaffnet sind, deren Bevölkerung weit verbreitet in kleinen Siedlungen lebt, deren Leichtindustrie ebenso stark dezentralisiert ist, deren Schwerindustrie tief unter der Erde angelegt wurde, und deren genauer Stand der Technik uns noch immer unbekannt ist. War es das in etwa?«
»Vergessen Sie nicht die Bereitwilligkeit, mit der sie bewusstseinsfördernde Drogen nehmen, ohne auch nur im Geringsten auf die persönlichen Konsequenzen zu achten«, knurrte Roi. »Und obendrein sind sie alle vollkommen paranoid. Wissen Sie, Brom, je weiter wir in die Materie vordringen, desto weniger behagt mir die Vorstellung, dass diese Leute irgendwo da draußen hocken und nur darauf warten, durchs All zu rasen, sobald sie den Interstellarantrieb ein zweites Mal erfunden haben.«
»Sie hören sich an, als würden sie morgen früh schon in unserer Umlaufbahn kreisen«, sagte Hemner. Er hustete, zweimal, die Krämpfe schüttelten seine schmächtigen Schultern, doch als er fortfuhr, klang seine Stimme durchaus fest. »Qasama ist fünfundvierzig Lichtjahre entfernt, vergessen Sie das nicht – selbst wenn sie nach uns suchen, werden diese Leute Jahre brauchen, um uns zu finden. Lange vorher werden sie den Trofts über den Weg laufen, und ob sie mit denen nun Krieg führen oder Handel treiben, sie werden Generationen lang mit ihnen zu tun haben. Bis dahin werden sie dieses kleine Fiasko vergessen haben, und wir werden mit unseren Artgenossen einen neuen Anfang machen können, so als wäre nichts geschehen.«
»Eine hübsche Rede, Jor«, erwiderte Telek ironisch, »aber Sie übersehen ein paar entscheidende Punkte. Erstens: Was, wenn diese Leute auf Chata und die anderen Welten da draußen stoßen, bevor sie die Trofts entdecken?«
»Was wäre dann?«, antwortete Hemner. »Wenn wir jetzt aus der Sache aussteigen, werden unsere Leute sowieso nicht dort draußen sein.«
Vielleicht zuckte Teleks Lippe in diesem Augenblick, ihre Stimme jedoch klang durchaus gelassen, als sie fortfuhr. »Punkt zwei ist die Annahme, dass die Qasamaner uns vergessen. Falsch. Sie werden sich an uns erinnern, und ob es ein Jahr dauert oder ein Jahrhundert, sie werden sich augenblicklich auf einen Krieg vorbereiten, sobald sie uns ein zweites Mal über den Weg laufen. Vielleicht glauben Sie das nicht«, fügte sie hinzu und ließ den Blick um den Tisch wandern, »aber es stimmt. Ich war dort, ich habe sie kennengelernt und gehört, wie sie reden. Sie können gern auf Hersh Nnamdis Abschlussbericht warten, doch er wird darin mit mir einer Meinung sein. Und drittens: Wenn wir ihnen erlauben, Qasama zu verlassen, dann steht uns in der Tat ein langer und blutiger Krieg bevor. Und angesichts der Drogen ist unser technologischer Vorsprung bedeutungslos – ein paar Monate oder Jahre Krieg, und sie werden auf unserem Stand sein, ganz gleich, wo wir selbst dann stehen. Und wenn Sie glauben, sie seien jetzt schon dezentral organisiert, dann warten Sie mal ab, bis sie sich auf Kubha und Tacta und weiß Gott wo noch eingegraben haben.«
»Ihre Argumente sind durchaus treffend«, sagte Stiggur, als Telek fertig war. »Doch übersehen Sie den eigentlichen Haken an der ganzen Sache. Nämlich: Sind die Cobra-Welten tatsächlich dazu bereit, als Söldner der Trofts gegen eine andere menschliche Zivilisation zu kämpfen?«
»Das ist eine recht brisante Art, es auszudrücken«, meinte Vartanson vorwurfsvoll.
»Natürlich ist es das. Aber so werden die Anhänger dieses Standpunktes argumentieren. Und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, es ist ein triftiges Argument. Wie Sie sich erinnern, haben wir uns auf diese Geschichte eingelassen, weil wir
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