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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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nicht nur, weil er ihre Gesellschaft genoss, sondern auch, weil sie ihn stillschweigend als Mitglied der Familie akzeptierten, und diese Ehre wurde nur wenigen anderen Außenstehenden zuteil. Über die Jahre hinweg hatte er das Sonderrecht genossen, die Entwicklung der drei Jungs mitzuverfolgen: wie sie erst in ihren Kindersitzen gesessen hatten und schließlich als Erwachsene in ihren Meinungen voll akzeptiert worden waren. Er hatte durch eine Art osmotischen Prozess einige der Feinheiten der Cobra-Welten-Politik mitbekommen, hatte sogar Gwen Moreau, kaum drei Jahre älter als er selbst, so gut kennengelernt, dass er ernsthaft über eine Heirat nachdachte. Als er sich heute Abend am Tisch umsah, den zwanglosen Gesprächen lauschte und seinen Teil dazu beitrug, zog die Erinnerung an diese glücklicheren Zeiten wie der Duft guten Kahves durch seine Gedanken.

    An diesem Abend jedoch war diese Wärme abgekühlt, und ihrer aller Bemühungen zum Trotz ließ sich der dunkle Schatten nicht vertreiben, den Justins leerer Platz auf die Familie warf. Jonny hatte ihnen versichert, Justin wäre rechtzeitig zur Diskussion da, doch als das Essen erst beim Nachtisch und dann beim Kahve angelangt war, kamen Pyre die ersten Zweifel.
    Und schlimmer noch als Justins freiwillige Abwesenheit war die kalte Gewissheit, die Pyre in seinem Inneren verspürte. Letzten Endes schrieb er sich selbst die Schuld daran zu.
    Nicht nur, weil er Justins Cobra-Ausbilder gewesen war, der den Jungen als Verantwortlicher ausreichend auf die Mission hätte vorbereiten müssen. Pyre hatte schon andere Cobras ausgebildet, und wenn es Justin nicht gelungen war, jenen Anflug defensiver Paranoia zu entwickeln, der in gefährlichen Situationen unabdingbar war, dann lag dies schlicht an seiner Persönlichkeit. Natürlich hätte er Justin die Teilnahme an der Mission auch verweigern können, doch der Rat wollte die Zwillinge an Bord haben, und Pyre hätte nichts vorbringen können, um ihren Ausschluss zu rechtfertigen.
    Aber wenn er dem gepanzerten Bus gefolgt wäre, als Moff Justin von Sollas nach Purma geschafft hatte …
    Ein Szenario, das Pyre auf dem Rückflug nach Aventine wieder und wieder in unzähligen Variationen durchgespielt hatte und das ihm in den stillen Stunden des Tages immer noch nachhing. Wäre er dem Bus gefolgt, hätte er Justin an jenem ersten Halt herausholen können, woraufhin die beiden dann Cerenkov und Rynstadt befreit hätten. Oder vielleicht hätte er sogar bis zum Hochsicherheitsgebäude warten können, um dann denselben Weg zurückzugehen, um die anderen zu befreien. Justin wäre niemals dieser scheinbar aussichtslosen Situation ausgesetzt gewesen, tief in feindlichem Gebiet, ohne die Hilfe von außen, auf die er sich verlassen hatte.
    Vielleicht hätte er dann auch nicht auf die harte Tour lernen müssen, dass auch Cobras Angst haben durften. In Panik geraten durften.

    Mensch bleiben durften.
    Das Abendessen ging zu Ende, und die Gesellschaft begab sich ins Wohnzimmer. Doch Jonny hatte kaum angefangen, als es leise an der Tür klopfte und Justin hereinkam.
    Einen Augenblick lang machte sich eine gewisse Peinlichkeit breit, als alle um die richtige Mischung aus Begrüßung, Interesse, Beiläufigkeit und Besorgtheit bemüht waren. Doch dann gelang es Joshua, das Eis zu brechen. »Wird auch langsam Zeit«, knurrte er in gespieltem Ernst. » Du solltest doch den Hauptgang mitbringen.«
    Justin schmunzelte, und die Spannung löste sich. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe«, entschuldigte er sich im gleichen gespielten Ernst bei seinem Bruder, »aber um die Verspätung wiedergutzumachen, ist das Fleisch außergewöhnlich frisch.«
    Er nahm neben Joshua Platz, nickte den anderen zu, dann richtete er den Blick erwartungsvoll auf seinen Vater. »Habe ich viel verpasst?«
    »Eigentlich wollten wir gerade erst anfangen.« Jonny zögerte. »Was ich sagen – vorschlagen – möchte, wird ziemlich seltsam klingen«, sagte er und blickte die anderen am Tisch kurz nacheinander an. »Schlimmer noch, ich habe keinen einzigen hieb-und stichfesten Beweis. Das ist auch der Grund, weshalb ihr alle hier seid: Ihr sollt mir helfen zu entscheiden, ob ich tatsächlich einer Sache auf die Spur gekommen bin oder ob ich mir das alles nur einbilde.« Sein Blick wanderte zu Chrys, die auf dem Sofa zwischen Corwin und Gwen saß, und verharrte dort, als suchte er bei ihr Kraft. »Ich bat euch, den Bericht über den Planeten Tacta zu lesen, den die

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