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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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und Diplomatie.«
    »Immerhin besteht die Hoffnung.« Justin wurde wieder ernst und wandte sich erneut zum Fenster. »Es ist hart, wenn die Eltern das Nest verlassen.«
    Corwin legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. »Wir werden sie alle vermissen«, sagte er leise. »Aber, na ja, sie sind alt genug, um ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Komm, gehen wir zu den anderen hinüber. Für schwierige Zeiten wie diese sind Familien schließlich da.«
    Gemeinsam gingen sie den Korridor hinunter.

TEIL DREI
    Planet der Abtrünnigen

39
    »Gouverneur Moreau?«
    Ganz in das offizielle Kauderwelsch vertieft, das ihm aus seinem Lesegerät entgegenstarrte, schaltete Gouverneur Corwin Jame Moreau mit Mühe gedanklich um und richtete seine Aufmerksamkeit auf das InterKom. Thena MiGraws Gesicht bot eine angenehme Abwechslung zu den Vorlagen des Direktorats. »Ja, Thena?«
    »Sir, Justin ist hier. Soll ich ihn ein paar Minuten warten lassen?«
    Corwin verzog das Gesicht. Soll ich ihn warten lassen. Übersetzt hieß das: Soll ich Ihnen ein paar Minuten Zeit geben, damit Sie sich vorbereiten können. Scharfsinnig wie immer, die gute Thena … doch Corwin hatte diese Konfrontation schon ein paar Tage vor sich hergeschoben, und wenn er jetzt nicht so weit war, dann nie. »Nein, schicken Sie ihn rein«, wies er sie an.
    »In Ordnung, Sir.«
    Corwin atmete tief durch, richtete sich in seinem Sessel auf und schaltete das Lesegerät ab. Einen Augenblick später ging die Tür auf, und Justin Moreau betrat entschlossenen Schritts den Raum.
    Entschlossenen Schritts – doch Corwins erfahrenem Blick blieben die ersten Anzeichen des Cobra-Syndroms in den Bewegungen seines Bruders nicht verborgen. Die Keramikschichten, die Justins Knochen überzogen, die implantierten Waffen, die Servos und Gelenkverstärkungen – nach achtundzwanzig Jahren begann sein Körper allmählich, gegen all die Eingriffe Widerstand zu leisten. Arthritis und Blutarmut würden seinem Leben in ein oder zwei Jahrzehnten ein vorzeitiges Ende bereiten. Corwin verzog mitleidvoll gequält das Gesicht und wünschte zum millionsten Mal, dass er etwas tun könnte, um das Unvermeidliche abzuwenden. Doch das war unmöglich. Wie sein Vater vor ihm, so hatte auch Justin diesen Weg aus eigenem Entschluss gewählt.

    Und wie der verstorbene Jonny Moreau hatte auch er sich entschieden, sein Schicksal in stiller Würde hinzunehmen und seine Schmerzen, wann immer möglich, für sich zu behalten und schweigend alles Mitleid zurückzuweisen. In Corwins Augen bewirkte dieses Verhalten eher das Gegenteil, denn dadurch schien sich die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Familie noch zu verstärken. Dennoch, er konnte seinen Bruder verstehen und wusste, die Entscheidung darüber, wie dieser den langen und schmerzhaften Pfad bewältigte, der vor ihm lag, musste er ihm selbst überlassen.
    »Justin.« Corwin nickte zur Begrüßung und bot seinem Bruder über den Schreibtisch hinweg die Hand an. »Du siehst gut aus. Wie geht’s denn?«
    »Ganz gut«, erwiderte Justin. »Eigentlich habe ich sogar den Verdacht, dass du zurzeit mehr unter dem Cobra-Syndrom leidest als ich.«
    Corwin spürte, wie sich seine Unterlippe verzog. »Demnach hast du die Diskussion im öffentlichen InfoNet gesehen. Verstehe.«
    Justin gab ein angewidertes, kehliges Würgen von sich. »Solange ich es aushalten konnte jedenfalls. Und das war nicht besonders lange. Ist Priesly privat auch so ein Arschloch?«
    »Das wünschte ich mir fast. Ich wäre tatsächlich glücklicher, wenn er und der Rest der Jects einfach die Idioten mit dem Schaum vor dem Mund wären, als die sie sich im Netz darstellen – wenn es so wäre, dann hätten wir ihre Hintermänner schon vor Jahren enttarnt.« Corwin seufzte. »Nein, unglücklicherweise ist Priesly ebenso raffiniert wie großmäulig, und jetzt, da es ihm endlich gelungen ist, die Jects mit Gewalt zu einer echten politischen Macht zu formen, sieht er sich sowohl im Rat als auch im Direktorat als Zünglein an der Waage der politischen Kräfte. Für jemanden, der sich für einen Ausgestoßenen hält, ziemlich starker Tobak – und manchmal geht er eben ein wenig zu weit.«
    »Tut er das?«, fragte Justin rundheraus.
    Corwin zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand er ein. »Solange seine Meute beleidigter Verlierertypen versucht,
eine ausgewachsene Krise zu entfachen, scheint niemand im Senat oder in der Regierung so recht zu wissen, wie man mit ihm umspringen soll.

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