Cobra
antwortete Daulo prompt. »Wenn sie Angst haben, werden sie sich zeigen, sobald feststeht, dass ihrer Gefährtin nichts zugestoßen ist. Sind sie Verschwörer …« Er zögerte. »Dann ist die Frau entweder hier, weil sie sich in unser Haus einschleichen und es ausspionieren will, oder aber um uns von der Aufgabe ihrer Begleiter abzulenken.«
Kruin holte tief Luft, den Blick auf einen Punkt hinter Daulo gerichtet. »Ja. Ich bin bedauerlicherweise zu denselben Schlussfolgerungen gekommen. Hast du irgendeine Idee, wer sich gegen uns verschworen haben könnte?«
Das Schnauben kam Daulo über die Lippen, bevor er sich zusammenreißen konnte. »Wer anders als die Familie Yithra?«
»Es könnte in der Tat so einfach sein.« Kruin zuckte mit den Achseln. »Und doch gestehe ich Yithra im Allgemeinen etwas mehr Raffinesse zu. Und auch mehr Intelligenz – jetzt, wo er eine neue Ladung Holz erwartet, hat er mit ehrlicher Arbeit mehr als genug zu tun. Wieso sollte er dazu noch eine Verschwörung in Gang setzen, um uns in Misskredit zu bringen?«
»Vielleicht erwartet er, dass wir genau das denken«, schlug Daulo vor.
»Vielleicht. Allerdings, und das sollten wir nicht vergessen, gibt es auf Qasama noch andere, die von Streitigkeiten in den Siedlungen profitieren.«
Daulo nickte nachdenklich. Ja, und an erster Stelle standen die Feinde von Bürgermeister Capparis aus Azras. Durch seine Freundschaft mit der Familie Sammon war Capparis natürlich ein bevorzugter Kunde, was die Ausbeute der Mine betraf – und das war Capparis’ Feinden schon lange ein Dorn im Auge. Vielleicht versuchte nun einer von ihnen, die Sammons zu verdrängen und sie durch jemanden zu ersetzen, der kooperativer war.
Insbesondere seit in letzter Zeit diese eigenartige und geheimgehaltene Operation Mangus im Osten von Azras einen so großen Teil der geförderten Erze verschlang. Azras und die anderen Städte im Westarm bereiteten Milika und den Nachbarsiedlungen genügend Kopfzerbrechen. Die Operation Mangus mit ihren schleimigen Einkäufern war auf ihre Art ebenso schlimm wie alle Städte zusammen. Wenn irgendjemand in Azras der Ansicht war, der Bedarf an Erzen bei Mangus werde noch steigen – und glaubte, jemand anders als die Sammons sollten von diesem Bedarf profitieren … »Was wollen wir also tun, mein Vater?«, fragte er. »Diese Frau aus dem Haus jagen und ihr vielleicht gestatten, sich im Haus des Bürgermeisters zu erholen?«
Kruin schwieg einen Augenblick, bevor er antwortete. »Nein«, sagte er schließlich. »Solange unsere Feinde glauben, wir würden sie als harmlos betrachten, verschafft uns das in diesem Spiel einen leichten Vorteil. Nein, wir behalten sie hier, zumindest fürs Erste. Gelingt es Perto nicht, ihre Begleiter aufzutreiben, können wir sie bis dahin vielleicht unmittelbar darüber befragen, was ihr passiert ist.«
Und wenn sie uns Lügen auftischt? »Verstehe. Soll ich jemanden zur Bewachung ihres Krankenzimmers abstellen?«
»Nein, zu auffällig. Solange sie krank ist und den Frauenflügel nicht verlassen kann, wird die übliche Zahl an Wachen genügen. Du wirst die Männer natürlich in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass sie möglicherweise Schwierigkeiten von ihr zu erwarten haben.«
»Ja, mein Vater. Und wenn sie sich erholt hat?«
Kruin lächelte. »Nun, als zuvorkommender und pflichtbewusster Gastgeber wird es deine Aufgabe sein, als ihr Begleiter aufzutreten.«
Und herauszufinden, was sie im Schilde führt. »Ja, mein Vater«, sagte Daulo und nickte. Die Haltung des älteren der beiden Sammons zeigte an, dass die Audienz zu Ende war. Daulo erhob sich, machte das Zeichen des Respekts und verneigte sich. »Ich werde mich um die Wachen kümmern und dann Pertos Rückkehr abwarten.«
»Auf Wiedersehen, mein ältester Sohn«, sagte Kruin mit einem anerkennenden Nicken. »Sorge dafür, dass ich stolz auf dich sein kann.«
»Das werde ich tun.« Solange ich noch einen Atemzug tue, fügte Daulo im Stillen hinzu.
Er zog die schwere Tür auf und schlüpfte leise aus dem Gemach.
53
Das Erste, was Jin spürte, als sie wieder zu Bewusstsein kam, war etwas Pelziges, das sie am Kinn kitzelte. Als Zweites fiel ihr auf, dass sie keine Schmerzen mehr hatte.
Sie öffnete vorsichtig die Augen, blinzelte ins Licht und versuchte sich zu orientieren. Wenn sie ihre Erinnerung nicht trog – was nicht auszuschließen war -, war es bereits Nachmittag gewesen, als sie endlich den Wald hinter sich gelassen und die Straße
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