Cobra
am Leibe hatte. Vermutlich … na, wahrscheinlich hatte ich bloß Angst, du könntest übermütig werden.«
Jonny zuckte mit den Achseln. »Also, wahrscheinlich habe ich das Ganze besser in der Gewalt als du damals, denn ich brauche keine zwei unterschiedlichen Reaktionssets – mit Kraftverstärker und ohne. Die Servos und die Keramikbeschichtungen werden mich mein Leben lang begleiten, und ich habe mich längst an sie gewöhnt.«
Pearce nickte. »Na gut.« Er zögerte, dann fuhr er fort. »Hör zu, Jonny, da wir gerade beim Thema sind. In dem Brief, den uns die Armee geschickt hat, stand, das ›meiste‹ deiner Cobra-Ausrüstung würde wieder entfernt, bevor du nach Hause kommst. Was haben sie – ich meine, was hast du davon noch?«
Jonny seufzte. »Mir wäre es lieber, sie würden das Zeug einfach ganz offen auflisten, anstatt sich so zu zieren. Sonst denken die Leute, ich wäre noch ein Panzer auf zwei Beinen. Die Wahrheit ist: Abgesehen von den Knochenbeschichtungen und den Servos ist mir nur noch der Nanocomputer geblieben – der nicht
viel mehr zu tun hat, als die Servos zu steuern – sowie zwei winzige Laser in meinen beiden kleinen Fingern, die man ohne Amputation nicht entfernen kann. Und natürlich die Energieversorgung für die Servos. Alles andere – die Kondensatoren für die Bogenwerfer, den Antipanzerlaser und die Schallwaffen – ist weg.« Genau wie der Selbstzerstörer, ein Thema, das man besser gar nicht erst ansprach.
»Gut«, meinte Pearce. »Tut mir leid, dass ich davon angefangen habe, aber deine Mutter und ich, wir waren ein bisschen nervös.«
»Schon in Ordnung.«
Sie waren jetzt beim Haus. Sie traten ein und gingen zu dem Zimmer, das Jame während der letzten drei Jahre für sich allein gehabt hatte. »Wo steckt eigentlich Jame?«, fragte Jonny, während er seine Taschen neben sein altes Bett stapelte.
»Draußen in New Persius. Er holt eine Ersatzlaserröhre für das Karosserieschweißgerät ab. Im Augenblick haben wir nur eins in der Werkstatt, und ich kann nicht riskieren, dass es ausfällt. In der letzten Zeit war es fast unmöglich, Ersatzteile zu bekommen – eine Auswirkung des Krieges, weißt du.« Er schnippte mit den Fingern. »Sag mal, diese kleinen Laser – kannst du mit denen schweißen?«
»Punktschweißen, ja. Sie wurden sogar ausdrücklich für die Arbeit an Metallen entwickelt.«
»Großartig. Vielleicht könntest du uns ein wenig zur Hand gehen, bis wir die Ersatzteile für die anderen Laser haben. Was meinst du?«
Jonny zögerte. »Tja … wenn ich ganz ehrlich sein soll, lieber nicht. Ich will nicht … na ja, die Laser erinnern mich zu sehr an … an andere Dinge.«
»Verstehe ich nicht«, sagte Pearce, und seine Stirn legte sich in Falten. »Schämst du dich dessen, was du getan hast?«
»Nein, natürlich nicht. Ich meine, als ich zu den Cobras gegangen bin, wusste ich ziemlich genau, worauf ich mich einlasse, und zurückblickend denke ich, dass ich meinen Job wohl kaum
besser hätte machen können. Es ist nur … dieser Krieg war anders als deiner, Dad. Sehr anders. Während der gesamten Zeit auf Adirondack war ich in Gefahr – und musste andere Menschen in Gefahr bringen. Hättest du je von Mann zu Mann gegen die Minthisti kämpfen oder dabei helfen müssen, die Leichen unbeteiligter Zivilisten, die in die Kämpfe hineingeraten sind, zu begraben …«, er schluckte den Kloß in seinem Hals runter, »… dann würdest du verstehen, warum ich das alles vergessen will. Wenigstens für eine Weile.«
Pearce schwieg einen Augenblick lang. Dann legte er seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. »Du hast Recht, Jonny. Es war wirklich etwas anderes, einen Krieg von einem Raumschiff aus zu führen. Wahrscheinlich begreife ich wirklich nicht so recht, was du durchgemacht hast, aber ich werde mir alle Mühe geben. Einverstanden?«
»Klar, Dad. Danke.«
»Schon gut. Komm jetzt, gehen wir deine Mutter suchen. Und dann kannst du dir Gwens Zimmer ansehen.«
Das Essen an jenem Abend wurde zu einem Festmahl. Irena Moreau hatte das Lieblingsessen ihres Sohnes gekocht – gebratenes wildes Balis -, und die Unterhaltung war unbeschwert und wurde häufig von Gelächter unterbrochen. Jonny kam es so vor, als wäre der Raum von einer Wärme und Liebe erfüllt, die sie alle fünf mit einem unsichtbaren Schutzwall umgab. Zum ersten Mal, seit er Asgard verlassen hatte, fühlte er sich wirklich sicher, und selbst längst vergessene Spannungen lösten sich ganz
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