Cobra
letzten, durchaus schwierigen Gesprächs mit Ilona Linder, und das passte ihm überhaupt nicht. »Was wir anrichten konnten «, verbesserte er Jame vielleicht ein wenig heftiger als nötig. »Die meisten meiner Waffen sind weg – und selbst wenn nicht, würde ich sie bestimmt nicht einsetzen. Ich habe das Kämpfen satt.«
»Ich weiß. Aber das wissen die anderen nicht, zumindest nicht mit Sicherheit. Ich stelle hier nicht einfach bloß Vermutungen an, Jonny. Seit der Krieg zu Ende ist, habe ich mit einer ganzen Menge Jungs gesprochen, und die Vorstellung, dich wiederzusehen, macht sie ziemlich nervös. Du wärst überrascht, wie viele von ihnen Angst haben, du könntest dich an irgendeine alte Rechnung von der Highschool erinnern und vorbeikommen, um sie zu begleichen.«
»Also bitte, Jame. Das ist doch lächerlich.«
»Das hab ich denen, die mich danach gefragt haben, auch gesagt, aber sie wirkten wenig überzeugt. Und es scheint, als würden einige ihrer Eltern die Dinge genauso sehen und – verdammt, du weißt doch selbst, wie schnell Neuigkeiten hier die Runde machen. Du wirst dir wohl eine Zeit lang ein Bein ausreißen und so friedlich tun müssen wie eine Taube mit beschnittenen Krallen. Um ihnen zu zeigen, dass sie keine Angst vor dir zu haben brauchen.«
Jonny schnaubte. »Das ist lächerlich, aber na schön. Ich werde ein braver Junge sein.«
»Großartig.« Jame zögerte. »Und jetzt zu Nummer zwei. Hast du vor, heute Abend bei Alyse Carne vorbeizuschauen?«
»Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt«, meinte Jonny stirnrunzelnd und versuchte, den Gesichtsausdruck seines Bruders zu deuten. »Wieso? Ist sie umgezogen?«
»Nein, sie wohnt immer noch draußen in der Blakely Street. Aber es wäre vielleicht besser, du rufst sie an, bevor du hinfährst. Um dich zu vergewissern, dass sie … keinen Besuch hat.«
Jonny kniff die Augen ein wenig zusammen. »Worauf willst du hinaus? Lebt sie mit jemandem zusammen?«
»Nein, nein, das nicht gerade«, beeilte sich Jame zu sagen. »Aber sie war in der letzten Zeit viel mit Doane Etheridge zusammen aus und – na ja, er nennt sie seine Freundin.«
Jonny schürzte die Lippen und starrte vorbei an Jame und auf die vertraute Landschaft hinter dem Grundstück der Moreaus. Er konnte Alyse kaum zum Vorwurf machen, dass sie sich in seiner Abwesenheit einen anderen gesucht hatte – sie waren bei seinem Abschied nicht gerade ein Traumpaar gewesen, und drei Jahre wären selbst dann eine ziemlich lange Zeit, wenn sie es ernster miteinander gemeint hätten. Und trotzdem, Alyse hatte zusammen mit seiner Familie einen seiner psychologischen Rettungsanker gebildet, wenn die Dinge auf Adirondack besonders übel geworden waren. Wenn er an sie gedacht hatte, hatte er Blut und Tod für kurze Zeit vergessen können. Sie einfach nur um sich zu haben würde ihm bestimmt bei seiner Wiedereingliederung ins Zivilleben helfen … außerdem war es vollkommen undenkbar, sie jemandem wie Doane Etheridge kampflos zu überlassen. »Dagegen werde ich wohl etwas unternehmen müssen«, meinte er langsam. Er sah James Gesichtsausdruck und zwang sich zu einem Lächeln. »Keine Sorge, ich hole sie mir auf ganz zivile Art zurück.«
»Na ja, dann viel Glück. Nur, lass dich warnen: Er ist nicht mehr die Flasche von früher.«
»Ich werde es mir merken.« Jonny strich mit der Hand ruhig über das glatte Metall des Wagens. Alles ringsum war vertraut, und doch war alles auch irgendwie anders. Vielleicht, so flüsterten ihm seine Kampfinstinkte ein, wäre es besser, zu Hause zu bleiben, bis er mehr über die Lage hier in Erfahrung gebracht hatte.
Jame schien seine Unentschlossenheit zu spüren. »Willst du immer noch ausgehen?«
Jonny schürzte die Lippen. »Ja, ich denke, ich sehe mich mal ein bisschen um.« Er öffnete die Tür, stieg ein und ließ den Motor an. »Warte nicht auf mich«, fügte er hinzu, bevor er abfuhr.
Schließlich hatte er nicht drei Jahre lang gegen die Trofts gekämpft, redete er sich entschlossen ein, um nach Hause zu kommen und sich vor seinen eigenen Leuten zu verstecken.
Trotzdem kam ihm die Fahrt durch Cedar Lake eher vor wie eine Aufklärungsmission denn wie die triumphale Heimkehr, die er sich einst erträumt hatte. Er fuhr in der Stadt herum, blieb aber im Wagen und grüßte die Leute nicht, die er wiedererkannte. An Alyses Apartmenthaus vorbeizufahren vermied er völlig. Und nach einer Stunde war er wieder zu Hause.
Seit vielen Jahren war die
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