Cocaine oder die Lust zur Hingabe
nicht, schnürte seine Schuhe und richtete sich auf. „Also gut, ich muss jetzt los. Weiß noch nicht, ob ich es schaffe, heute Mittag nachhause zu kommen."
,Nachhause', das klang ja schon wie bei einem alten Ehepaar. Aidan rieselte das Wort durch die Adern. Erstaunt stellte er fest, dass ihm der Gedanke überhaupt keine Angst machte, nicht wenn es sich um Joe handelte. Bis gestern hätte er über die Vorstellung gelacht, nein – Aidan hätte bei dem Gedanken daran regelrecht Platzangst bekommen. Und jetzt wäre er am liebsten wie ein kleiner Junge zur Tür gehüpft, weil er jemanden hatte, der zuhause' auf ihn wartete.
„Also ... bis nachher, Joe."
Als er dann jedoch die Treppe hinunterging, war jeder Schritt weg von Joe wie das Waten durch schweren Sand.
***
„Hat sich schon was ergeben?"
Callaghan und Marc schüttelten den Kopf, als wären sie zusammengeschaltet. „Nichts", sagte Callaghan. „Aber das wird schon noch, irgendwann müssen sie sich bewegen. Einen Erfolg können wir aber verbuchen. Der Nachschub an Kokain scheint zu versiegen. Es ist schon viel teurer geworden. Die Dealer, die wir beschatten, haben anscheinend nichts mehr bekommen."
„Ralston weiß also von unserer Beschattung."
„Genau. Er wird nichts unternehmen, was nicht unbedingt nötig ist." Callaghan strich sich nachdenklich die Oberlippe. Aidan musste lächeln. Joe hatte ihm von dem Schnurrbart erzählt, den Callaghan abgenommen hatte und nun vermisste.
„Übrigens haben wir Dunkirk Fotos von den Anwälten gezeigt.", sagte Marc. „Er hat leider niemanden wiedererkannt. Die Verkleidung war wohl zu gut gemacht, wenn wir mal davon ausgehen, dass Arlena in Graham einen der Staatsanwälte erkannt hat. Darauf läuft es doch hinaus, nicht wahr?"
Aidan nickte. „Das halte ich für die wahrscheinlichste Möglichkeit. Auf der Party starrte sie ihn an, weil er ihr bekannt vorkam. Aber erst am Tag danach, am Vortag ihres Todes im Büro ihres Mannes ist ihr aufgegangen, wer er war: Graham. Und wenn ein Staatsanwalt seine Identität wechselt, um ein Vermögen auf der Bank unterzubringen, hat er ganz sicher Dreck am Stecken.
Woher hat er die Millionen? Seit einem Jahr ist er Kunde der Bank und seit etwa einem Jahr taucht das konzentrierte Kokain auf dem Markt auf. Das ist doch kein Zufall. Der fand es bestimmt nicht lustig, von Arlena erkannt zu werden. Für mich ist er der wahrscheinlichste Kandidat, zumindest für Anstiftung zum Mord an Arlena. Wenn man jetzt noch den Tod von Maggie Miller berücksichtigt, ist das Bild komplett. Und wir können nichts davon beweisen, verdammt." Callaghan schlug mit der Faust auf den Tisch, dass sein Kaffee überschwappte. Die aufge- schlagene Akte auf seinem Schreibtisch sog sich sofort voll. Ein großer brauner Fleck breitete sich auf dem blütenweißen Papier aus. Callaghan riss ein Taschentuch aus seinem Jackett und versuchte fluchend zu retten, was zu retten war. Schließlich gab er auf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Habt ihr Dunkirk gefragt, ob Graham noch jemand anderem von seinen Angestellten in der Bank begegnet ist?", brummte er.
Marc schüttelte den Kopf „Schon, aber Fehlanzeige. Graham hat vorher immer einen Termin gemacht und ist sofort zu Dunkirk hinaufgegangen. Wir haben das überprüft. Zur Zeit sieht es so aus, als ob ihn bis auf Ms. Miller niemand gesehen hat, und die ist leider tot." Er hob frustriert die Hände, wie um zu zeigen, wie wenig sie in der Hand hatten. „Überall stehen wir vor dem Nichts. Wir kommen einfach nicht weiter."
„Hat schon jemand die Swanson verhört? Ich glaube, es ist an der Zeit, sie einmal so richtig in die Zange zu nehmen. Sie hat lange genug im eigenen Saft geschmort. Vielleicht ist sie ja sogar froh, die Schuld beichten zu können.", meinte Aidan nachdenklich und strich sich müde das Haar aus der Stirn. Er hatte viel zu wenig geschlafen und war so erschöpft, dass ihm das Denken schwer fiel.
„Sie sehen gar nicht gut aus, Aidan.", meinte Callaghan prompt. „Sie sollten sich mal wieder richtig ausschlafen."
Aidan lächelte schwach. „Das würde ich ja gerne ..."
„Private Probleme?"
Aidan nickte. „Vielleicht erzähle ich es Ihnen irgendwann mal."
Callaghan grinste. „Tja, da kann man nichts machen. Da muss jeder von uns mal durch. Wenn ich an den letzten Streit mit meiner Frau denke ... wir sind wie miteinander verwachsen ... trotzdem, manchmal muss man frischen Wind
hereinlassen und sich abreagieren. Und doch nimmt es
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