Cocaine oder die Lust zur Hingabe
entgegen. Er war noch sehr blass, aber es schien ihm besser zu gehen. Er sog die Luft ein und schnupperte. „Hmmm, Chinesisch! Ist doch was anderes als die ständigen Sandwiches." Er kam heran und gab Aidan einen kleinen Begrüßungskuss.
Jetzt ist die Illusion perfekt, dachte Aidan zynisch und schob Joe von sich weg. Er wollte nicht, dass sich zwischen ihnen diese leichte Vertraulichkeit einschlich, die so schnell zur Gewohnheit werden konnte. Alles oder nichts, mit weniger würde er sich nicht zufrieden geben.
Joe schien enttäuscht, ließ aber von ihm ab.
„Ich hab mir heute und morgen freigenommen.", sagte Aidan, als sie sich mit den Essensschachteln an dem kleinen Tisch niederließen.
„Nett von dir." Misstrauisch schielte Joe in den Karton, probierte und schaute überrascht auf. Rindfleisch mit schwarzen Bohnen und verschiedenem Gemüse in scharfer Soße. Woher wusste Aidan, was er gerne aß?
„Ich muss mich unbedingt ausschlafen."
Joe nickte. „Du siehst müde aus."
„Ja, wir sind beide ziemlich angeschlagen. Du bist auch noch ganz schön bleich. Hast du etwas schlafen können?"
„Nein, eigentlich nicht, ich ..." Joe hatte an Aidan gedacht, aber das wollte er ihm nicht auf die Nase binden.
Warum hatte er ihn eben so unwillig von sich geschoben? Auch in der Nacht hatte Aidan ihn nicht angerührt, hatte es nicht einmal versucht. Nicht, dass er es
zugelassen hätte, aber er war irgendwie enttäuscht, Aidan nicht stärker in Versuchung führen zu können. Er mochte die Vorstellung, in diesem schönen, düsteren Mann ein übermächtiges Verlangen zu wecken. Fast als könne er einen wilden schwarzen Panter zum Schnurren bringen.
Und doch fürchtete er sich genau davor. Dass Aidan ihn bisher so wenig beachtete, hieß nicht, dass sein Temperament nicht wieder mit ihm durchgehen konnte. Wie bei seinem gewaltsamen Kuss an diesem Nachmittag auf Belvedere. Seine besitzergreifende, alles mit sich reißende Leidenschaft hatte Joe gleichermaßen geängstigt und erregt. Er traute ihm zu, sich jederzeit auf ihn zu werfen. Könnte Aidan so weit gehen, ihn zu vergewaltigen? Nein, wohl nicht, und es war auch eher sein eigenes Verlangen, vor dem er sich wirklich fürchtete.
„Hast du was dagegen, wenn wir nach dem Essen die Vorhänge zuziehen und uns etwas aufs Ohr legen?", fragte Aidan in seine Gedanken hinein.
Oh Gott, stöhnte Joe innerlich und konnte nicht antworten. Zum Glück schien Aidan auch keine Antwort zu erwarten. Er packte die leeren Essenschachteln wieder in die Tüte.
Joe war nervös, die nächsten Stunden würden schwierig werden. Wieder diese Tortur, neben Aidan zu liegen und nicht zu wissen, was er sich mehr wünschte, dass er über ihn her fiele, oder dass er ihm vom Leibe bliebe. Der Aufruhr in seinem Inneren ließ ihn zittern wie eine Jungfrau vor der Hochzeitsnacht. Ihm wurde regelrecht schlecht vor Nervosität.
Während Aidan den Tisch abräumte, zog er sich bis auf den Slip aus und kroch ins Bett. Lag dort wie erstarrt mit eiskalten Gliedern und horchte auf Aidans Schritte im Flur, das Rauschen von Wasser im Bad ... dann kam er herein und Joe beobachtete ihn, wie er mit geschmeidig kraftvollen Bewegungen sein T-Shirt über den Kopf zog.
Aus dieser Perspektive, vom niedrigen Bett aus, wirkte Aidan besonders groß und athletisch. ,greater than live', kam ihm in den Sinn. Beim Anblick seiner trockenen Muskeln und Sehnen, die sich unter der Haut seines Rückens dehnten und spannten, breitete sich in Joe ein erregendes Gefühl der Schutzlosigkeit aus. Er wusste mit einemmal, im Ernstfall hätte er ihm nichts entgegenzusetzen. Damals im Cops Barrel hatte er es nicht bemerkt, weil er zu betrunken gewesen war, aber so wie Aidan aussah, musste er ihn bei ihrem Kampf tüchtig geschont haben, sonst hätte er schon in der ersten Minute bewegungslos unter ihm gelegen. Aidan war dunkel und rätselhaft, geschmeidig und blitzschnell wie eine Raubkatze, und er schien auch deren Instinkte zu besitzen. Wild und ungezügelt loderten sie unter seiner gebügelten Zivilisationsoberfläche, machten ihn unberechenbar. Joe fühlte sich so stark zu diesem Mann hingezogen, dass ihm die Sehnsucht seine Einge- weide zerfraß.
Oder irrte er sich, war es nur die Faszination der Gefahr, die ihn zu Aidan hinzog? Er erinnerte sich an einen Einsatz, wo er in einen Hinterhalt geraten war und sich seinen Weg aus einem Lagerhaus in Chinatown frei schießen musste. Die Kugeln waren ihm nur so um die Ohren geflogen. Er
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