Cocktail fuer einen Vampir
Krisen, all diese Täuschungsmanöver, all diese Kämpfe auf Leben und Tod hatte! Ich fühlte mich wie ein Stein, der über die Wasseroberfläche geschnippt wurde, sich aber eigentlich nur danach sehnte, in namenlose Tiefen zu versinken.
Okay, das war dumm. Wieder gab ich mir innerlich einen Ruck. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich nach Dingenzu sehnen, die ich im Moment ohnehin nicht haben konnte. Ich sollte lieber auf der Hut sein und jederzeit bereit, in Aktion zu treten. »Haben Sie Warren wirklich?«, fragte ich Van, der rechts neben mir auf der Rückbank des Chevrolet Camaro saß. Die pummelige Teenagerin hatte sich links hineingequetscht. Sie roch nicht gerade angenehm.
»Nee«, sagte er. »Hab ihn nie gesehen, soweit ich weiß.«
»Was soll das hier dann?« Ich könnte es genauso gut auch gleich erfahren, fand ich, denn ich war sowieso überzeugt, dass das Ganze schlimm ausgehen würde.
»Alcide hat dem schwarzen Arschloch Mustapha angeboten, ins Rudel einzutreten«, erwiderte Van. »Uns aber nicht.«
Dann waren sie also alle Einzelgänger. »Aber ich habe Sie doch auf der letzten Rudelversammlung gesehen.«
»Ja, ich hab den Aufnahmetest mitgemacht, wie in so ’ner verdammten Studentenvereinigung«, sagte Van sarkastisch. »Aber ich hab’s nicht geschafft. Da hat mich wohl einer angeschwärzt .«
»Ich dachte, er müsste Sie aufnehmen«, erwiderte ich. »Ich meine, ich wusste gar nicht, dass der Leitwolf sich Leute herauspicken kann.«
»Alcide ist ’n bisschen zu wählerisch«, warf der Soldat ein, der das Auto fuhr. Er drehte sich etwas um, sodass ich sein Profil sehen konnte, als er sprach. »Er will keinen mit ’nem richtigen Strafregister in seinem Rudel haben.«
Da schrillten alle Alarmglocken in meinem Kopf, viel zu spät allerdings. Mustapha hatte im Gefängnis gesessen, ich wusste zwar nicht, warum … aber Alcide war trotzdem bereit gewesen, ihn ins Rudel aufzunehmen. Welche Untaten hatten diese einzelgängerischen Ganoven also begangen, dass ein Werwolfrudel sie nicht haben wollte?
Das junge Mädchen neben mir kicherte. Die Frau auf dem Beifahrersitz warf ihr einen finsteren Blick zu, und das Mädchen streckte ihr wie eine Zehnjährige die Zunge heraus.
»Du hast schon Vorstrafen?«, fragte ich die pummelige Teenagerin.
Pummelchen sah mich durchtrieben an. Sie hatte glattes braunes Haar, und der Pony fiel ihr fast bis in die Augen. Sie hatte sich in ein gestreiftes, ärmelloses Stretchtop und Jeans gezwängt und trug Flip-Flops dazu. »Ich hab ’ne Jugendstrafe gekriegt«, sagte sie stolz. »Weil ich unser Haus angezündet hab. Meine Mom kam grad noch rechtzeitig raus. Mein Daddy und die Jungs nicht.«
Und ich bekam mit, was ihr Daddy ihr angetan hatte – nur diesen einen Gedanken von ihr –, und war fast froh, dass er es nicht mehr aus dem Haus heraus geschafft hatte. Aber die Brüder? Kleine Jungs? Sie war allerdings auch nicht allzu glücklich darüber, dass ihre Mom es noch geschafft hatte, glaubte ich.
»Alcide wollte also keinen von Ihnen aufnehmen?«
»Nee«, sagte Van. »Aber bald gibt’s ’nen Führungswechsel, und wenn das Rudel ’nen neuen Leitwolf hat, sind wir drin. Dafür werden wir sorgen.«
»Wird Alcide seinen Posten denn aufgeben?«
»Wir werden den Arsch stürzen«, sagte der Soldat.
»Er ist ein guter Mann«, flüsterte ich.
»Der ist ’n Arschloch«, warf Pummelchen ein.
Die Frau auf dem Beifahrersitz hatte während dieses charmanten Gesprächs kein Wort gesagt. Ihre Gedanken konnte ich zwar nicht lesen, aber ich spürte das Unbehagen und Bedauern, das es ihr schwer machte, still zu sitzen. Sie stand kurz vor einer Entscheidung. Ich hatterichtig Angst, etwas zu sagen, das sie auf die falsche Seite kippen lassen würde.
»Und wohin bringen Sie mich jetzt?«, fragte ich, und Van legte einen Arm um mich.
»Johnny und ich wären gern mal mit Ihnen allein«, sagte er und fuhr mit der anderen Hand unter meinen Rock. »Sie sehen zum Anbeißen aus und all das.«
»Ich frage mich, weswegen Sie wohl im Gefängnis waren«, erwiderte ich. »Tja, lassen Sie mich mal raten.«
Die Frau drehte sich zu mir um, und unsere Blicke trafen sich. »Willst du dir das etwa bieten lassen?«, fragte sie Pummelchen. So provoziert, schnappte Pummelchen sich Vans Handgelenk und schob seine Hand weg von meinem Schoß.
»Du hast gesagt, so was machst du nicht mehr«, knurrte sie, und ich meine wirklich knurren. » Ich bin jetzt deine Freundin. Und sonst keine.«
»Klar
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