Cocktail fuer einen Vampir
zu und starrte die Anzeige der Stockwerke an. Wir mussten zusammen mit ihr erst hinauffahren, bevor wir hinunterfahren konnten, und meine Handflächen begannen schon, feucht zu werden vor lauter Angst. Sie ignorierte Coltons zerzausten Zustand demonstrativ und wollte offenbar nichts wissen. Großartig. Aber wir waren doch alle erleichtert, als sie endlich ausstieg.
Auf der Fahrt hinunter fürchtete ich, im fünften Stock könnte jemand auf uns warten – die Tür würde aufgehen, und dann wären wir mit den beiden Männern konfrontiert, die wir gefesselt zurückgelassen hatten. Aber nichts dergleichen geschah. Wir fuhren immer weiter hinunter, und erst im zweiten Stock glitten die Türen einmal auf. Verschiedene Hotelangestellte standen davor: eine weitere Kellnerin des Zimmerservice mit einem Servierwagen, ein Gepäckträger und eine Frau in einem schwarzen Kostüm. Sie war sehr gepflegt und trug auch High Heels, war also eindeutig weiter oben in der Nahrungskette angesiedelt.
Sie war die Einzige, die uns Aufmerksamkeit schenkte, als sie alle eingestiegen waren. »Kellnerin«, sprach sie mich an. »Wo ist Ihr Namensschild?« Palomino hatte oberhalb der rechten Brust eins getragen, deshalb fasste ich mit der Hand an die Stelle, wo es hätte sein sollen. »Tut mir leid, es muss heruntergefallen sein«, sagte ich entschuldigend.
»Holen Sie sich sofort ein neues«, befahl sie, und ich warf einen Blick auf ihr Namensschild. »M. Norman« stand darauf. Mir wäre sicher kein Nachname zuteil geworden. Ich hätte mich mit »Candi« oder »Brandi« oder »Sandi« zufrieden geben müssen.
»Ja, Ma’am«, erwiderte ich. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um einen Klassenkampf anzuzetteln.
M. Normans Blick glitt über Coltons hübsches Gesicht, das unter dem Entfernen des Klebebands zugegebenermaßen etwas gelitten hatte und leicht zerschunden wirkte. Ich sah, wie sich zwischen ihren Augenbrauen eine kleine Falte bildete, als sie darüber nachdachte, was ihm zugestoßen sein könnte und ob sie irgendwelche Fragen stellen sollte. Doch ihre gut geschneiderten Kostümschultern hoben sich nur zu einem winzigen Achselzucken. Sie hatte ihrer Autorität für diesen Abend ausreichend Geltung verschafft.
Als der Aufzug im Erdgeschoss ankam, stiegen wir aus, als würde das Hotel uns gehören. Wir bogen um eine Ecke, und da war auch schon die Hintertür, auf die etwas weiter vor uns auch Palomino zusteuerte. Sie warf uns einen Blick über die Schulter zu und schien sich zu freuen, dass wir kamen. Dann tippte sie den Sicherheitscode in die Tastatur bei der Tür ein und öffnete sie. Gemeinsam gingen wir auf den Parkplatz hinaus. Palomino, die auf ihr rotes Auto zusteuerte, sah einen Augenblick lang neugierig über den Zaun auf die Straße hinaus, so als würde sie etwas Seltsames wahrnehmen. Mir blieb keine Zeit, es zu überprüfen, weil wir raschen Schrittes zwischen den geparkten Autos der Angestellten hindurch auf unser Auto am Straßenrand zueilten.
Wir hatten Bills Auto schon fast erreicht, da holten dieWerwölfe uns ein. Es waren vier. Ich kannte nur einen von ihnen, weil ich ihn mal bei Alcide zu Hause gesehen hatte. Ein langhaariger bärtiger Kerl mit einem hageren Gesicht namens Van.
Vampire und Werwölfe können im Allgemeinen gar nicht miteinander, also trat ich vor Bill hin und tat mein Bestes, um ein Lächeln aufzusetzen. »Van, schön, Sie mal wiederzusehen«, sagte ich, bemüht darum, gelassen zu klingen, obwohl jede Faser meines Körpers schrie: Sieh verdammt noch mal zu, dass du hier wegkommst! »Wollen Sie irgendetwas von uns?«
Van, der um einiges größer war als ich, sah auf mich hinunter. Er dachte nicht an meinen spärlich bekleideten Körper, was doch mal eine nette Abwechslung war, sondern versuchte … irgendeine Art Entscheidung zu treffen. Es fällt mir sehr schwer, die Gedanken von Werwölfen zu lesen, aber so viel konnte ich doch entziffern.
»Miss Stackhouse«, sagte er nickend. Sein dunkles Haar schwang hin und her bei der Bewegung. »Wir sind auf der Suche nach Ihnen.«
»Wieso das denn?« Das konnte ich genauso gut gleich klären. Wenn sie uns herausfordern wollten zu einem Kampf, wollte ich wenigstens wissen, warum ich verprügelt wurde. Denn ich hatte es garantiert nicht darauf abgesehen.
»Alcide hat Warren gefunden.«
»Oh, großartig!« Ich freute mich wirklich und lächelte Van an. Jetzt könnte Mustapha zurückkommen und erzählen, was er gesehen hatte, und alles würde gut
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