Cocktail fuer einen Vampir
Seine Knie gaben nach, sein ganzer Körper bebte, und er presste die Handballen gegen die Augen.
Mit wenigen Schritten war ich bei ihm und sank neben ihm auf die Knie. Ich legte einen Arm um ihn und sagte: » Das habe ich garantiert auch nicht erwartet.« Was ihn offenbar derart verblüffte, dass er kurz auflachte. Dann hickste er wie von einem Schluckauf und sah mich aus geröteten Augen an. Mit meiner freien Hand griff ich nach der Schachtel Papiertaschentücher auf dem Tisch neben dem Lehnsessel. Ich zog eins heraus und tupfte Dermots feuchte Wangen ab.
»Ich kann gar nicht glauben, dass du so nett zu mir bist«, sagte er. »Es kam mir von Anfang an unglaublich vor, wenn man bedenkt, was Claude dir über mich erzählt hat.«
Das hatte mich selbst etwas überrascht, um die Wahrheit zu sagen.
»Ich bin überzeugt, dass du nicht einmal dort warst an dem Abend, als meine Eltern starben«, sagte ich vollkommen aufrichtig. »Und wenn du dort warst, dann nur unter Zwang. Meiner Erfahrung nach bist du absolut liebenswert.«
Dermot lehnte sich an mich wie ein müdes Kind. Ein ganz normaler Menschenmann hätte sich mittlerweile schon die größte Mühe gegeben, sich zusammenzureißen. Ihm wäre es peinlich gewesen, seine Verletzlichkeit zu zeigen. Dermot dagegen schien sich gern von mir trösten zu lassen.
»Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte ich nach ein paar Minuten.
Er atmete tief ein. Ich wusste, dass er meinen Elfenduft einsog und dass er ihm helfen würde. »Ja«, sagte er. »Ja.«
»Du solltest erst mal duschen gehen und dich richtig ausschlafen«, riet ich ihm, bemüht, irgendetwas zu sagen, das nicht total lahm klang oder so, als würde ich mich um ein Kleinkind kümmern. »Wetten, Niall und Claude sind in null Komma nichts wieder zurück, und du wirst …« Doch hier verließen sie mich, denn ich wusste gar nicht, was Dermot eigentlich wollte. Claude hatte sehnsüchtig auf eine Rückkehr in die Elfenwelt gehofft, und dieser Wunsch war ihm nun erfüllt worden. Ich war einfach davon ausgegangen, dass das auch Dermots Ziel wäre. Doch nachdem Claude und ich ihn von dem Fluch befreit hatten, hatte ich ihn nie danach gefragt.
Als Dermot schließlich ins Badezimmer trottete, ging ich durchs Haus und überprüfte alle Fenster und Türen, was Teil meines allabendlichen Rituals war. Und während ich noch Geschirr abwusch und abtrocknete, versuchte ich mir vorzustellen, was Claude und Niall wohl in diesem Moment machten. Wie sah die Elfenwelt aus? So wie das magische Land Oz, in dem Film?
»Sookie«, sagte Dermot hinter mir, und ich fuhr derart zusammen, dass ich gleich wieder im Hier und Jetzt war. Er stand in einer karierten Pyjamahose in der Küche,seinem normalen Schlafzeug. Sein goldblondes Haar war noch feucht vom Duschen.
»Fühlst du dich besser?« Ich lächelte ihn an.
»Ja. Könnten wir heute Nacht zusammen schlafen?«
Es war, als hätte er gefragt: »Können wir uns ein Kamel besorgen und es als Haustier behalten?« Wegen Nialls Frage nach Claude und mir kam mir Dermots Bitte ziemlich seltsam vor. Ich war einfach nicht in elfenliebender Stimmung, egal wie unschuldig es auch gemeint war. Und ehrlich gesagt, ich war mir nicht so sicher, ob er nicht doch meinte, wir sollten mehr tun als nur schlafen. »Ähhhh … nein.«
Dermot wirkte derart enttäuscht, dass ich mich gleich bei Schuldgefühlen ertappte. Das konnte ich nicht ertragen, ich musste es erklären.
»Hör mal, ich weiß, dass du keinen Sex mit mir haben willst, und ich weiß auch, dass wir alle uns schon ein paar Mal zusammen in ein Bett gelegt und dann alle wie ein Stein geschlafen haben … Das hat gutgetan, ja, es war heilsam. Aber es gibt ungefähr zehn Gründe dafür, warum ich das nicht mehr will. Erstens, es ist einfach total bizarr, für einen Menschen. Zweitens, ich liebe Eric, und ich sollte nur mit ihm ins Bett gehen. Drittens, du bist verwandt mit mir, deshalb wird mir geradezu übel, wenn wir in einem Bett miteinander liegen. Und außerdem siehst du meinem Bruder so ähnlich, dass du jederzeit als er durchgehen könntest, und das macht jede auch nur andeutungsweise sexuelle Situation doppelt übelkeiterregend. Ich weiß, das sind keine zehn Gründe, aber ich glaube, das sollte reichen.«
»Findest du mich denn nicht attraktiv?«
»Darum geht’s doch gar nicht!« Meine Stimme wurde lauter, und ich hielt kurz inne, um mich wieder zu beruhigen.Dann sprach ich in leiserem Ton weiter. »Es ist vollkommen egal, wie attraktiv
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