Cocktail fuer einen Vampir
hatte ich einen wahren Schatz gefunden: einen Brief meiner Gran an mich und ein einzigartiges Andenken.
Dermot wandte den Kopf wegen eines Geräusches, das ich noch nicht hören konnte. »Es kommt ein Motorrad«, sagte er mit dem Mund voller Toast und Pflaumenmus und klang dabei fast genauso schaurig wie Jason. Ich zwang mich in die Gegenwart zurück.
Ich kannte nur einen Menschen, der regelmäßig mit dem Motorrad fuhr.
Schon im nächsten Augenblick wurde der Motor abgestellt, und es klopfte an der vorderen Haustür. Ich seufzte. Wenn ich mich wieder mal einsam fühlte, sollte ich mich an Tage wie diesen erinnern. Ich trug Schlafshorts und ein großes altes T-Shirt und sah grässlich aus, aber das würde das Problem meines uneingeladenen Gastes sein.
Mustapha Khan, Erics Mann für tagsüber, stand auf der Vorderveranda. Da es viel zu heiß war, um Lederklamotten zu tragen, litt seine Blade-Verkörperung etwas. Aber er kam immer noch wie der knallharte Kerl rüber in dem ärmellosen Denimhemd, Jeans und seiner unvermeidlichen Sonnenbrille. Er trug sein Haar geometrisch ausrasiert à la Wesley Snipes in den Filmen, und ich war überzeugt, dass er auch große Waffen an den Hüften getragen hätte, wenn das Gesetz es ihm erlaubt hätte.
»Guten Morgen«, sagte ich mäßig aufrichtig. »Wollen Sie einen Becher Kaffee? Oder eine Limonade?« Die Limonade schob ich noch hinterher, weil er mich ansah, als wäre ich verrückt.
Angewidert schüttelte er den Kopf. »Ich nehme keine stimulierenden Substanzen zu mir«, erwiderte er, und da erinnerte ich mich – wenn auch zu spät – daran, dass er mir das schon einmal erzählt hatte. »Manche Leute verschlafen ihr ganzes Leben«, bemerkte er, nachdem er einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims geworfen hatte. Wir gingen nach hinten in die Küche.
»Bei manchen Leuten ist es gestern Abend spät geworden«, gab ich zurück, als Mustapha – der ein Werwolf war – beim Anblick und Geruch des Sexy Farmers Dermot ganz starr wurde.
»Ich kann mir schon vorstellen, wobei es da so spät geworden ist.«
Ich wollte ihm gerade erklären, dass Dermot derjenige sei, bei dem es wegen seines Jobs gestern spät geworden war, während ich nur anderen bei ihrer Arbeit zugesehen hatte. Doch als ich Mustaphas Tonfall hörte, strich ich dieses Vorhaben gleich wieder. »Oh, nun stellen Sie sich doch nicht dumm. Sie wissen genau, dass dies mein Großonkel ist«, sagte ich. »Dermot, du bist Mustapha Khan schon mal begegnet. Er ist Erics Mann für tagsüber.« Ich hielt es für höflicher, nicht zu erwähnen, dass Mustaphas richtiger Name eigentlich KeShawn Johnson lautete.
»Er sieht nicht aus wie der typische Großonkel «, knurrte Mustapha.
»Ist er aber, und außerdem geht Sie das sowieso nichts an.«
Dermot hob eine blonde Augenbraue. »Haben Sie etwa ein Problem mit meiner Anwesenheit in diesem Haus?«, fragte er. »Ich sitze hier einfach nur und frühstücke zusammen mit meiner Großnichte. Ich habe kein Problem mit Ihnen.«
Mustapha schien sich auf seine stoische Zen-artige Gelassenheit zu besinnen, ein wichtiger Teil seines Images, denn schon einen Augenblick später war er wieder ganz der coole Typ. »Wenn Eric damit kein Problem hat, warum sollte ich dann eins haben?«, erwiderte er. (Wäre nett gewesen, wenn ihm das etwas früher eingefallen wäre.) »Ich bin hier, um Ihnen etwas zu sagen, Sookie.«
»Klar doch. Nehmen Sie Platz.«
»Nein, danke. So lange wird’s nicht dauern.«
»Hat Warren Sie gar nicht begleitet?« Warren saß meistens auf dem Rücksitz von Mustaphas Motorrad. Warren war ein dürrer kleiner Exknastbruder mit blasser Haut, strähnigem blondem Haar und einigen Zahnlücken, aberer war ein hervorragender Schütze und ein guter Freund von Mustapha.
»Bin nicht davon ausgegangen, dass ich hier ’ne Waffe brauchen würde.« Mustapha wandte den Blick ab. Er schien irgendwie richtig genervt zu sein. Seltsam. Es ist sehr schwierig, die Gedanken von Werwölfen zu lesen, aber man musste keine Telepathin sein, um zu erkennen, dass Mustapha Khan irgendetwas hatte.
»Hoffen wir, dass hier keiner eine Waffe braucht. Was ist in Shreveport los, dass Sie es mir nicht am Telefon sagen können?«
Ich setzte mich an den Tisch und wartete darauf, dass Mustapha mit seiner Nachricht herausrückte. Eric hätte mir auf den Anrufbeantworter sprechen oder mir auch eine E-Mail schicken können, anstatt Mustapha herzuschicken – aber wie die meisten Vampire hatte er kein allzu
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