Cocktail fuer einen Vampir
ich dich finde. Natürlich siehst du gut aus. Genau wie mein Bruder. Aber ich fühle mich nicht sexuell zu dir hingezogen, und ich finde dieses In-einem-Bett-schlafen einfach seltsam. Deshalb machen wir diesen Elfen-Wohlfühl-Schlafmarathon nicht mehr.«
»Es tut mir leid, dass ich dich so verärgert habe«, sagte er, sogar noch unglücklicher.
Wieder fühlte ich mich schuldig. Aber ich zwang mich, diesen Impuls zu unterdrücken. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf der Welt einen Großonkel hat wie dich«, sagte ich, und meine Stimme klang liebenswürdig.
»Ich werde nicht mehr davon sprechen. Ich habe nur ein wenig Trost gesucht.« Mit großen, weidwunden Augen sah er mich an. Doch seine Mundwinkel umspielte schon das erste Anzeichen eines Lächelns.
»Da wirst du dich wohl einfach selbst trösten müssen«, erwiderte ich spitz.
Und als er die Küche verließ, lächelte er bereits.
An diesem Abend schloss ich wohl zum ersten Mal überhaupt meine Schlafzimmertür ab. Ich fühlte mich schlecht, als ich den Riegel vorschob, so als würde ich Dermot mit meinem Argwohn entehren. Aber die letzten paar Jahre hatten mich gelehrt, dass eins der Lieblingssprichwörter meiner Großmutter stimmte. Vorsorge ist tatsächlich besser als Nachsorge.
Falls Dermot in der Nacht meinen Türknauf gedreht haben sollte, hatte ich zu fest geschlafen, um es zu hören. Und vielleicht wies meine Fähigkeit zu einem so tiefen Schlaf ja auch darauf hin, dass ich meinem Großonkel grundsätzlich vertraute. Oder aber dem Türriegel. Als ich am nächsten Tag aufwachte, konnte ich ihn oben inder Dachkammer arbeiten hören. Seine Schritte dröhnten über meinem Kopf.
»Ich habe Kaffee gekocht«, rief ich einige Minuten später die Treppe hinauf, und er war im Nu unten. Irgendwo hatte Dermot einen Jeansoverall aufgetrieben, und da er kein Hemd daruntertrug, sah er aus, als würde er gleich seinen Platz in der Reihe der Stripper vom Abend zuvor einnehmen, als Sexy Farmer mit der Großen Forke. Ich fragte den Sexy Farmer mit einer wortlosen Geste, ob er etwas Toast wolle, und er nickte, glücklich wie ein Kind. Dermot liebte Pflaumenmus, und ich hatte ein Glas da, selbst gemacht von Maxine Fortenberry, Hollys zukünftiger Schwiegermutter. Sein Lächeln wurde breiter, als er es sah.
»Ich wollte so viel Arbeit wie möglich erledigen, solange es noch nicht so heiß ist«, erklärte er. »Ich habe dich hoffentlich nicht aufgeweckt.«
»Nein. Ich habe geschlafen wie ein Stein. Was machst du denn heute dort oben?« Von Heimwerkersendungen im Fernsehen hatte Dermot sich dazu inspirieren lassen, eine Wand mit Tür in die alte geräumige Dachkammer einzuziehen und so einen Teil als Abstellkammer abzutrennen; den übrigen Raum mit dem frisch abgeschliffenen Holzboden wollte er zu einem Schlafzimmer für sich selbst machen. Bislang hatten Claude und er nämlich mehr oder weniger zusammen in dem kleinen Schlafzimmer und dem Wohnzimmer im ersten Stock gewohnt. Nach der Entrümpelung der Dachkammer hatte Dermot beschlossen, den Raum »umzuwidmen«. Die Wände waren bereits gestrichen, und auch mit der Aufarbeitung und erneuten Versiegelung des Holzbodens war er fast fertig. Ich glaube, er hatte sogar die Fenster neu abgedichtet.
»Der Fußboden ist mittlerweile trocken, sodass ich die Trennwand einbauen konnte. Jetzt arbeite ich gerade am Türstock und an den Scharnieren, um die Tür einhängen zu können. Ich hoffe, dass ich das heute und morgen erledigen kann. Wenn du also irgendetwas verstauen willst, die Abstellkammer ist fast fertig.«
Nachdem Dermot und Claude mir geholfen hatten, alles aus der vollgestopften Dachkammer herunterzutragen, hatte ich mich von dem angesammelten Stackhouse-Krempel getrennt – ganze Generationen von ausrangiertem Gerümpel, aber auch Schätze hatten sich da getürmt. Ich war praktisch genug veranlagt, um zu erkennen, dass seit Jahrzehnten vor sich hin schimmelnde Sachen niemandem mehr wirklich nützten, und so war das Gerümpel zu einem großen Haufen aufgeschichtet und verbrannt worden. Die schönen Dinge waren in einen Antiquitätenladen in Shreveport gegangen. Letzte Woche war ich mal beim Splendide vorbeigefahren, und da hatten Brenda Hesterman und Donald Callaway mir erzählt, dass einige der kleineren Sachen schon verkauft seien.
Als die beiden Händler hier bei mir im Haus die Sachen begutachteten, hatte Donald in einem der alten Möbelstücke, in einem Schreibtisch, ein Geheimfach entdeckt. Und darin
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