Cocktail fuer einen Vampir
ob er mir auf diesem Weg seine Sorgen mitteilen wollte und mich absichtlich seine Gedanken lesen ließ.
»Es ist nicht zu leugnen, dass wir Probleme miteinander haben«, sagte ich zu ihm. »Oder sie zumindest mit mir.« Alcide sah mich erstaunt an und drehte sich halb zu mir herum. Und noch ehe Roy anfangen konnte, Fragen zu stellen, fuhr ich fort: »Wie läuft’s eigentlich so in der Bar?« Das Hair of the Dog, die einzige Werwolf-Bar in Shreveport, war kein Touristenmagnet wie das Fangtasia. Und es verkehrten auch nicht nur Werwölfe dort, sondern Zweigestaltige aller Art aus der Gegend rund um Shreveport. »Wir kommen hier so langsam wieder aus dem Tief heraus.«
»Es läuft gut. Jannalynn macht einen prima Job als Managerin«, sagte Alcide und zögerte dann einen Augenblick lang. »Ich habe gehört, dass das Geschäft in den neuen Bars ziemlich eingebrochen ist, in den Bars, die dieser neue Kerl eröffnet hat.«
»Ja, das hab ich auch gehört«, meinte ich, bemüht darum, nicht zu süffisant zu klingen.
»Was ist aus dem eigentlich geworden?«, fragte Alcide zurückhaltend. »Aus diesem Victor?« Die Welt wusste zwar von der Existenz der Vampire und Zweigestaltigen, doch ihre Herrschaftsstrukturen waren weitgehend unbekannt. Und wenn es nach den Supras ging, würde das auch immer so bleiben. Mit nonchalanter Lässigkeit nahm Alcide einen Schluck von seinem restlichen Eistee. »In letzter Zeit habe ich ihn gar nicht mehr gesehen.«
»Ich auch nicht, schon seit Wochen nicht«, erwiderte ich und sah Alcide direkt in die Augen. »Vielleicht ist er nach Nevada zurückgegangen.« In Roys Gedanken kam Victor nicht vor, und ich war froh, dass Palomino die Klappe gehalten hatte. Palomino … die in einer Werwolf-Bar herumhing. Jetzt konnte ich die Verbindung ziehen. Deshalb lieferte der Großhändler dem Hair of the Dog TrueBlood … es war für Palomino. Nur für Palomino? Oder gingen auch noch andere Vampire in die Werwolf-Bar?
»Geht’s deinem Freund gut?«, fragte Alcide.
Ich kehrte zurück ins Hier und Jetzt. »Eric geht’s immer gut.«
»Hat er herausgefunden, wie diese junge Frau in sein Haus kam? Die Frau, die ermordet wurde?«
»Und ihr wollt beide wirklich kein Dessert mehr? Dann mache ich jetzt mal die Rechnung.« Ich hatte sie natürlich längst fertig, doch ich wollte ein bisschen Aufhebens darum machen, damit sie in die Gänge kamen. Und tatsächlich hatte Alcide seine Brieftasche auch schon herausgeholt, als ich an den Tisch zurückkam. Roy war an den Tresen gegangen, wo er mit einem der Männer sprach, die im Sägewerk arbeiteten. Sie waren anscheinend zusammen zur Highschool gegangen.
Als ich mich vorbeugte und Alcide die Rechnung hinlegte, stieg mir sein Geruch in die Nase. Etwas wehmütig dachte ich daran, wie attraktiv ich ihn gefunden hatte, als ich ihn kennenlernte, und wie ich mich dem Tagtraum hingegeben hatte, dass dieser gut aussehende und hart arbeitende Mann mein Seelenverwandter sein könnte.
Aber es hatte nicht funktioniert damals, und jetzt war es endgültig zu spät. In diesem speziellen Fall war zu vielWasser den Bach hinuntergeflossen. Alcide tauchte immer tiefer in die Werwolfkultur ein und entfernte sich immer weiter von dem ziemlich normalen Menschenleben, das er geführt hatte bis zu dem katastrophalen Versuch seines Vaters, Leitwolf zu werden.
Er nahm auch meinen Geruch wahr. Unsere Blicke trafen sich. Wir wirkten beide ein bisschen traurig.
Ich hätte gern noch etwas zu ihm gesagt, etwas Ernstes und Bedeutungsvolles, aber unter den gegebenen Umständen wollte mir einfach nichts einfallen.
Und so verstrich der Augenblick. Alcide reichte mir ein paar Dollarscheine und sagte, das Wechselgeld solle ich behalten. Roy klopfte am Tresen seinem Kumpel auf den Rücken und kam an den Tisch zurück. Und dann machten sie sich wieder auf in die Hitze des Tages, um auf dem Rückweg zur Zentrale der Baufirma in Shreveport noch auf einer anderen Baustelle in Minden vorbeizuschauen.
Als sie weg waren, begann ich, ihren Tisch abzuräumen, weil ich nichts anderes zu tun hatte. Es waren kaum Gäste da, und D’Eriq hatte bestimmt die Gelegenheit ergriffen und sich hinausgeschlichen, um eine zu rauchen oder auf seinem iPod Musik zu hören.
Mein Handy in der Schürzentasche vibrierte, und in der Hoffnung, dass es endlich Neuigkeiten über Tara gab, griff ich sofort danach. Aber es war Sam, der von seinem Handy aus anrief.
»Was gibt’s, Boss?«, fragte ich. »Hier läuft alles
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