Cocktail fuer einen Vampir
könnte, da kam Alcide herein. Er hatte offenbar gearbeitet; der Abdruck eines Schutzhelms zeichnete sich in seinem dicken schwarzen Haar ab, und er war verschwitzt und schmutzig wie die meisten Männer, die im Sommer um die Mittagszeit kamen. Es war noch ein anderer Werwolf bei ihm, ein Mann, der genauso froh war, in einen klimatisierten Raum zu kommen. Sie seufzten unisono vor Erleichterung, als sie sich an einem Tisch in meinem Bereich auf die Stühle fallen ließen.
Ehrlich gesagt wunderte ich mich, Alcide im Merlotte’s zu sehen. Neben unserer Bar gab es hier in der Gegendnoch jede Menge anderer Gaststätten, in denen man essen konnte. Unser letztes Gespräch war nicht gerade angenehm verlaufen, und er hatte auch nicht auf die Nachricht reagiert, die ich ihm auf die Mailbox seines Handys gesprochen hatte.
Vielleicht war sein Kommen ja ein Friedensangebot. Mit Speisekarten in der Hand und einem verhaltenen Lächeln im Gesicht ging ich zu ihm hinüber. »Na, arbeitest du zurzeit hier in der Nähe?«, fragte ich zur Begrüßung. Alcide war lange Mitinhaber der Baufirma seines Vaters gewesen, doch jetzt gehörte ihm das Unternehmen ganz. Er war ein guter Firmenleiter, wie ich gehört hatte. Und ich hatte auch gehört, dass es große personelle Veränderungen gegeben haben sollte.
»Wir haben in Clarice die Baustelle der neuen Turnhalle der Highschool überprüft«, sagte Alcide. »Damit sind wir gerade fertig. Sookie, das ist Roy Hornby.«
Ich nickte ihm höflich zu. »Roy, freut mich. Was möchtet ihr beide denn trinken?«
»Könnten wir einen ganzen Krug Eistee haben?«, fragte Roy. Er verströmte das unverkennbare Hirnmuster eines Werwolfs.
»Natürlich«, erwiderte ich. »Kommt sofort.« Und während ich einen kalten Krug und zwei mit Eis gefüllte Gläser an ihren Tisch trug, fragte ich mich, ob die neuen Leute in der Baufirma Herveaux wohl alle zweigestaltig waren. Ich schenkte die erste Runde Tee ein. Binnen Sekunden hatten sie die Gläser geleert. Ich schenkte nach.
»Es ist so verdammt heiß da draußen«, sagte Roy. »Sie haben mir das Leben gerettet.« Roy war eine Art Mitteltyp: mittelbraunes Haar, mittelblaue Augen, von mittlerer Größe um die 1,75 Meter und mittelschlank. Aber er hatteschöne Zähne und ein gewinnendes Lächeln, mit dem er mich jetzt gerade bedachte. »Ich glaube, Sie kennen meine Freundin, Miss Stackhouse.«
»Wer ist es denn? Ach, und nennen Sie mich doch Sookie.«
»Ich bin mit Palomino zusammen.«
Ich war so erstaunt, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte. Aber ich musste schließlich ein paar Worte zusammenkratzen. »Ein hübsches junges Mädchen. Ich kenne sie nicht allzu gut, bin ihr aber gelegentlich schon mal begegnet.«
»Ja, sie arbeitet für Ihren Freund, und sie hat noch einen Nebenjob im Trifecta.«
Dass ein Vampir mit einem Werwolf eine Beziehung einging, war äußerst ungewöhnlich, ja geradezu eine Romeo-und-Julia-Situation, nur dass hier nicht bloß die Familien der beiden Liebenden verfeindet waren. Roy musste ein echt toleranter Typ sein. Seltsam, das entsprach ganz und gar nicht seiner Ausstrahlung. Auf mich wirkte er wie ein konventioneller Werwolf: hart, machomäßig und eigensinnig.
Es gab nicht allzu viele »alternative« Werwölfe. Doch Alcide warf Roy keinen bösen Blick zu, auch wenn er ihn nicht gerade anstrahlte.
Ich fragte mich, was Roy wohl von Palominos Nestkumpanen Rubio und Parker hielt. Und wusste er, dass Palomino an dem Gemetzel im Fangtasia teilgenommen hatte? Da Roy ein etwas klarerer Sender war als die meisten anderen Werwölfe, bekam ich mit, dass er daran dachte, abends zusammen mit Palomino in eine Bar zu gehen. Irgendwo in mir machte es klick, und ich wusste, dass da eine Idee waberte. Aber ich kriegte sie noch nicht richtigzu fassen. Hmmm, ich sollte irgendeine Verbindung ziehen … Na gut, würde ich eben warten müssen, bis die Idee an die Oberfläche meines Bewusstseins poppte. Ist das nicht das nervigste Gefühl auf der ganzen Welt?
Als ich das nächste Mal an Alcides Tisch vorbeikam, war Roy auf die Herrentoilette gegangen. Mit ausgestrecktem Arm bat Alcide mich, kurz stehen zu bleiben. »Sookie, ich habe deine Nachricht bekommen«, flüsterte er. »Noch hat keiner Mustapha gesehen, und es hat auch keiner was von ihm gehört. Oder von seinem Kumpel Warren. Was hat er zu dir gesagt?«
»Ich soll dir etwas ausrichten«, erwiderte ich. »Kommst du mal einen Augenblick mit raus?«
»Ja, gut.« Alcide stand auf
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