Cocktail fuer einen Vampir
befürchtete er, ich könnte etwas am Kopf abgekriegt haben. »Hast du das Reh nicht gesehen?«
»Oh, ja. Wisst ihr, dass ihr hier nicht mehr auf meinemLand seid?« Meine Stimme schwankte sehr, aber daran konnte ich im Moment auch nichts ändern.
»Ich sehe keine Zäune, keine Grenzen. Freiheit ist gut«, erwiderte Bellenos.
Und die Blondine nickte begeistert. »Es tut so gut zu rennen«, fügte sie hinzu. »Es tut so gut, aus den Häusern der Menschen herauszukommen.«
Die Sache war … sie wirkten so glücklich . Ich wusste natürlich, dass ich ihnen die Leviten lesen sollte, doch zugleich taten die beiden Elfen mir nicht nur von Grund auf leid, sondern ich fürchtete sie auch – und für sie. Was ein sehr unguter Gefühlsmix war. »Freut mich wirklich, dass es euch so viel Spaß macht«, keuchte ich. Und sie strahlten mich beide an. »Warum wirst du eigentlich Gabe genannt?«, fragte ich die Elfe, weil mir im Moment einfach nichts anderes einfiel.
»Ich heiße eigentlich Aelfgifu«, erklärte sie lächelnd. »Elfengabe. Aber Gabe kann der Mund der Menschen leichter aussprechen.« Ach, da gerade vom Mund die Rede ist: Aelfgifus Zähne waren übrigens nicht ganz so grauenerregend wie die von Bellenos. Sie waren sogar ziemlich klein. Doch als sie sich jetzt über mich beugte, konnte ich prima die längeren und schärferen Zähne sehen, die von ihrem Gaumen herabhingen.
Fangzähne. Nein, keine Vampirfangzähne, eher solche, wie Schlangen sie hatten. Jesus Christus, Hirte von Judäa! Das und dann noch ihre pupillenlosen Augen, sie konnte einem wirklich Angst einjagen.
»Macht ihr das so in der Elfenwelt?«, fragte ich schwach. »Jagt ihr dort in den Wäldern?«
Jetzt lächelten sie beide. »Oh ja, und dort gibt es keine Zäune oder Grenzen«, sagte Aelfgifu sehnsüchtig.»Auch wenn die Wälder längst nicht mehr so tief sind wie einst.«
»Ich will euch ja nicht … nicht kritisieren«, sagte ich und fragte mich, ob ich mich wohl aufsetzen könnte. Sie sahen mich beide an, mit unentzifferbarem Blick und Köpfen, deren kantige Form nichts Menschliches an sich hatte. »Aber normale Leute sollten euch wirklich nicht ohne eure Tarnung als Mensch sehen. Und selbst wenn es euch gelingt, von anderen als Menschen wahrgenommen zu werden … normale Menschenpaare machen nicht mitten in der Nacht Jagd auf Rehe. Und schon gar nicht mit solchen Waffen.« Nicht mal um Bon Temps herum, wo die Jagd praktisch eine Art Religion war.
»Du siehst uns, wie wir wirklich sind«, stellte Bellenos fest, und ich konnte heraushören, dass ihm das bislang nicht klar gewesen war. Na, hoffentlich hatte ich nicht ein Stückchen wertvolles Wissen preisgegeben, indem ich davon sprach.
»Ja.«
»Du hast magische Kräfte«, sagte Gabe respektvoll. »Das macht dich zu unserer Schwester. Als du zum ersten Mal ins Hooligans kamst, waren wir uns nicht sicher über dich. Bist du auf unserer Seite?«
Bellenos’ Hand schoss über mich hinweg, und er packte Aelfgifu an der Schulter. Ihre Blicke trafen sich. In dem unheimlichen Licht der Scheinwerfer wirkten ihre Augen genauso schwarz wie seine.
»Ich weiß gar nicht, welche Seite das ist«, sagte ich, um die Situation zu entspannen. Es schien zu wirken, denn sie lachte und schob einen Arm unter mich, und ich setzte mich auf. »Du bist nicht verletzt«, versicherte sie mir. »Dermot wird froh sein. Er liebt dich.«
Auch Bellenos legte einen Arm um mich, sodass unser Trio plötzlich in einer seltsam vertrauten kleinen Szene dort am Rand einer verlassenen Straße hockte. Bellenos’ Zähne waren meinem Fleisch furchtbar nahe gekommen. Stimmt schon, ich war an Bisse gewöhnt, Eric war schließlich ein Vampir, aber er riss mir kein Fleisch heraus und fraß es.
»Du zitterst, Schwester«, bemerkte Aelfgifu. »Dir kann doch in einer so warmen Nacht wie dieser nicht kalt sein! Ist es der Schock nach deinem kleinen Unfall?«
»Du fürchtest dich doch wohl nicht vor uns?« Bellenos klang, als würde er sich über mich lustig machen.
»Sehr witzig«, sagte ich. »Natürlich fürchte ich mich vor euch. Wenn du einige Zeit mit Lochlan und Neave verbracht hättest, würde es dir genauso gehen.«
»Wir sind nicht wie sie«, erklärte Aelfgifu in einem sehr viel kleinlauteren Ton. »Und es tut uns leid, Schwester. Es gibt einige unter uns, die ihnen auch nicht entkommen sind. Nicht alle haben überlebt und konnten die anderen vor ihnen warnen. Du hattest sehr viel Glück.«
»Hattest du damals auch schon
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