Coco - Ausbildung zur 0
verscheuchte auch die letzten Schwaden ihrer eigenen Nebel in ihrem Kopf, und zum ersten Mal, seitdem sie hier war, konnte sie klar denken.
Immer noch war ihr schleierhaft, was Xavier mit seiner Befreiungsaktion bezwecken wollte. Er wusste doch, wie sie darüber dachte, wenn sich Chef und Assistentin – oder in ihrem Fall Geschäftspartner – miteinander einließen. Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass das funktionieren würde. Wozu da noch an die Loire fahren? Sie trank ihren Kaffee aus und ging hinein. Eine Dusche würde ihr die Kraft geben, sich mit ihm auseinanderzusetzen. So wie sie im Moment aussah, würde sie sich nur lächerlich machen.
Das heiße Wasser prasselte auf ihre Haut und jagte ihr einen Schauer über den Körper. Kaum hatten die ersten Tropfen ihren Körper berührt, richteten sich ihre Papillen auf und wurden hart. Coco verteilte ein wenig Shampoo in ihrem Haar, ließ noch mehr Wasser über sich laufen, und der Schauer verschwand. Wohlige Wärme breitete sich in ihr aus, und sie lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand. Es war, als würde das heiße Wasser alles von ihr abwaschen, was ihr in den letzten Tagen passiert war. Als ob diese Tage gar nicht existierten und nie geschehen waren. Ein leises Geräusch ließ sie aufhorchen, doch es wiederholte sich nicht, und so ließ sie es gut sein.
Coco griff sich einen Rasierer und begann sich von sämtlichem Pelz zu befreien. Sie entfernte die Haare an den Beinen, unter den Achseln, und schließlich machte sie dem Wildwuchs an ihrer Scham den Garaus. Alles musste weg, alles musste runter und für immer vergessen sein. Während Coco sich von ihrem Haarwuchs befreite, befreite sie sich von ihren düsteren Gedanken. Mit jedem Zug des Rasierers über ihre Haut fiel ein weiteres Stück ihrer Verfehlung von ihr ab. Mit jedem Haar, das dem Rasierer zum Opfer fiel, war ihr bisheriges Leben Geschichte und Baptiste nur noch ein dunkelgraues Kapitel darin. So hoffte sie zumindest. Immer wieder genoss sie den Schauer des heißen Wassers und schloss für einen Moment genüsslich die Augen. Irgendwann spürte sie, dass die Haut an ihren Fingern zu schrumpeln begann, und mit Bedauern verließ sie die Dusche. Sie öffnete die Schiebetür und erstarrte.
16
„Duschst du immer so lange?“, fragte Xavier grinsend und warf Coco ein Handtuch zu. Sie griff danach, bedeckte sich damit, und mit einem Zipfel tupfte sie die Tropfen, die aus ihrem Haar in ihr Gesicht fielen, ab.
„Nur wenn ich weiß, dass die heiße Quelle schwer versiegt.“ Sie trat aus der Dusche und wollte sich das Handtuch um den Körper wickeln, doch Xavier winkte ab.
„Ich sitze hier, um einen Vergleich anzustellen – das Handtuch bleibt weg!“ Er lehnte sich auf dem kleinen Jugendstilstuhl zurück und legte einen Arm auf die Lehne.
„Welchen Vergleich?“, erkundigte Coco sich und wand sich das Handtuch stattdessen um ihre Haare.
„Wahrheit und Wunschdenken“, antwortete Xavier frech grinsend.
„Was gewinnt?“, wollte sie wissen, während sie sich eine der Zahnbürsten nahm, die das Hotel zur Verfügung stellte. Xavier antwortete nicht sofort, sondern forderte sie mit einer Handbewegung auf, ihn nicht weiter zu beachten. Coco grinste ihr Spiegelbild schräg an und fuhr mit ihrer Morgentoilette fort. Als sie nach der Bodylotion griff, erhob sich Xavier und nahm ihr die Flasche aus der Hand. Er stellte sich hinter sie, so dass sie ihn im Spiegel bei seinem Tun beobachten konnte. Doch bevor er die Flasche mit der Lotion öffnete, nahm er ihr das Handtuch vom Kopf, griff nach einer Bürste und begann, ihr zerzaustes Haar in geordnete Bahnen zu bringen. Vorsichtig bürstete er das nasse Haar, und als er es geglättet hatte, flocht er ihr einen Zopf.
„Drei Schwestern – mal sehen, ob ich das noch kann“, sinnierte er lächelnd und hantierte unter dem strengen Blick Cocos an ihrem Schopf. Sie schrie kurz auf, als er einmal etwas fester als nötig zog, und schenkte ihm einen grimmigen Blick durch ihr Spiegelbild. Er lächelte entschuldigend und verknotete ein Band um das Ende des Zopfes. Dann erst nahm er die Flasche mit der Lotion und öffnete sie. Coco hielt sich an der Kante des Waschbeckens fest und beobachtete ihn bei dem, was er tat, genau. Bevor er die Lotion auf ihrem Rücken verteilte, wärmte er sie in seinen Händen an, und als er seine Hände auf ihre Schultern legte, blieb der erwartete Kälteschock aus.
„Du weißt, dass das hier eigentlich nicht im Plan
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